Zum Tod von Hans-Dietrich Genscher

Wenn die deutsche Bundeskanzlerin sich „in Hochachtung vor der Lebensleistung dieses großen liberalen Patrioten und Europäers“ verneigt und die Stelle, an der der Satz „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise…“ im frenetischen, sorgenabfallenden Jubel der Flüchtlinge auf dem Gebiet der Prager Botschaft unterging, mittlerweile zum musealen Ort geworden ist, dann schaut man in einem solchen Augenblick als Verwalter eines großen Nachlasses an politischen Zeichnungen und Karikaturen doch gern einmal in die eigenen Rechercheinstrumente der Bibliothek. Nach dem Tode Hans-Dietrich Genschers (1927-2016) und zum Staatsakt am 17.4.2016 seinen deshalb einige Hinweise gegeben, die das Wirken des ehemaligen deutschen Innenministers (1969-1974 in den beiden Kabinetten Brandt) und Außenministers (1974-1992 in den Kabinetten Schmidt und Kohl) visualisieren helfen. Es ist nur ein kleiner Teil, aber ein liebenswürdiger Aspekt, der manchmal zum Schmunzeln, öfters aber zum Nachdenken anzuregen vermag.

Geschöpft werden kann aus einem reichen Fundus, denn die ULB Münster besitzt seit einigen Jahren den Nachlass Schöpper. Rudolf Schöpper studierte Malerei und Plastik in Köln, arbeitete als Illustrator für verschiedene Zeitungen und wechselte 1962 zur politischen Karikatur. Seine Karikaturen erschienen zunächst unregelmäßig in der Gewerkschaftszeitung Einheit, in den Ruhr-Nachrichten, der Westfalenpost und der Kölnischen Rundschau, ehe er 1977 nach Münster übersiedelte und bis 1991 fast täglich bei den Westfälischen Nachrichten Karikaturen zeichnete. Im September 2009 erwarb die ULB etwa 8.000 politische Karikaturen Rudolf Schöppers im Original mit Unterstützung der Universität Münster.

Hans-Dietrich Genscher ist in dieser Sammlung mit über 250 Karikaturen einer der meistgezeichneten Politiker. Dabei werden alle Aspekte aufgezeigt: Innen- und Außenpolitik, FDP, Wahlen, Fernsehduelle, Waffen- und Rüstungsexporte, Atomreaktorlieferungen an Brasilien und der daraus resultierende Konflikt mit den USA und vieles mehr.

Da schon fast 4.000 Karikaturen digitalisiert und sachlich gegliedert vorliegen, kann man bequem die Jahre passieren lassen, zum Beispiel die Waffenexporte in den Iran oder die Perestroika.

Auch Münster spielt naturgemäß eine wichtige Rolle, wurden doch hier teilweise die Verhandlungen für die Vorbereitungen zur Deutschen Einheit geführt. Gespräche zwischen dem sowjetischen Außenminister Edward Schewadnardze und dem deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher fanden symbolträchtig u.a. im historischen Rathaus statt, einer der Stätten des Westfälischen Friedens.