Fliegender Segen  

180.000 Kärntner Bienen werden in den kommenden zwei Jahren auf dem Flachdach der ULB mitten in der Stadt leben

Hortensien, Lavendel, Rosen, Schleierkraut und Sonnenblumen - des Bischofs Garten bietet allerlei Köstlichkeiten für die österreichischen Gäste. Und auch der Botanische Garten lässt sich nicht lumpen: Gingko, Johanniskraut, Kamille und Fingerhut stehen auf der Speisekarte für die emsigen Arbeiterinnen aus Kärnten. Eine prachtvolle Auswahl für die vier Bienenvölker, die seit Anfang Juli auf dem Flachdach der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) mitten im Herzen der Stadt leben.

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Thilo Maier von der Landwirtschaftskammer kontrolliert einmal die Woche den Ertrag der Stadtbienen auf dem Dach der ULB.

Thilo Maier hat Carnica, die Kärntner Biene, hier angesiedelt, um im Rahmen seiner Ausbildung zum Imker bei der Landwirtschaftskammer herauszufinden, ob Stadt oder Land den besseren Lebensraum für die fliegenden Segen darstellen. Bienen sind unverzichtbar für den floralen Artenreichtum, sie bestäuben ein Drittel aller Nutzpflanzen auf der Erde. Doch die Existenz der Insekten ist bedroht - Pestizide, Milben, Krankheiten lassen ihren Bestand schrumpfen.

Die landwirtschaftlichen Monokulturen tun dazu ihr übriges. Also liegt nahe, dass es den Bienen trotz Lärm, Hauptverkehrsstraßen und Abgasen in den Innenstädten besser gehen könnte. „Wenn in Altenberge, wo die Vergleichskörbe stehen, die Linden verblüht sind, bleibt nur noch eine Mais-Wüste übrig“, sagt der 27-jährige Maier. In zahlreichen deutschen Großstädten gibt es inzwischen Bienenkörbe und Hobbyimker, die gute Erträge einfahren.

So war ULB-Direktorin Dr. Beate Tröger auch sofort bereit, die neuen Untermieter einziehen zu lassen. Eine Anfrage bei den Mitarbeitern der ULB ergab: Niemand hatte Angst vor Stichen. „Unsere Bienen sind besonders sanftmütig“, betont Holger Kretzschmar, der als Imkermeister der Landwirtschaftskammer das Gesellenstück von Thilo Maier fachlich begleitet.
Die von ihren Anlagen her ohnehin ruhigen Bienen der vier Völker auf dem ULB-Dach seien, so Kretzschmar, durch eine besondere Auswahl der jeweiligen Königinnen zu besonders friedliebenden Stadtbienen herangezüchtet worden. So herrscht bei den ULB-Mitarbeitern statt Besorgnis eher allgemeine Freude über das ökologisch wertvolle Projekt, wie Antje Gildhorn erklärt. Die Dezernentin für die Technischen Dienste hatte das Vorhaben ihren Kollegen nahe gebracht und hofft nun auf den Honig der summenden schwarz-gelben Flieger. „20 bis 30 Kilo pro Jahr können wir wohl erwarten“, so Maier. Im kommenden Jahr soll das erste Mal geschleudert werden.

180.000 Insekten sind es ungefähr, die für zwei Jahre am Krummen Timpen leben werden. Einmal in der Woche wird Maier sie kontrollieren. Unter einem der Körbe aus grünem Kunststoff ist eine Waage angebracht, so dass der Ertrag laufend kontrolliert werden kann. Mit einem Flugradius von drei bis fünf Kilometern können die Österreicherinnen nicht nur bischöflichen und Botanischen Garten erreichen, sondern auch Aasee, Promenade, Zentralfriedhof und vor allem die zahlreichen Blüten in Gärten und Balkonen in der Innenstadt – eine Auswahl, um die sie ihre Kolleginnen in Altenberge sicher beneiden …