Bibliothek Alexander Haindorf / Sammlung Loeb Böhme

Digitalisat "Versuch einer Pathologie und Therapie der Geistes- und Gemüthskrankheiten"
Buch aus dem Bestand der Bibliothek Alexander Haindorf
© ULB

Im Jahr 2011 wurde der ULB Münster die Bibliothek Alexander Haindorf / Sammlung Loeb Böhme durch Frau Helga Böhme übereignet.

Die Bibliothek geht im wesentlichen auf Alexander Haindorf (1784–1862) zurück und umfasst ca. 2.700 zeitgenössische, aber auch ältere Titel aus allen Bereichen der Medizin, der Naturwissenschaften, der Geschichte, Philosophie, Theologie und Jurisprudenz. Vertreten sind aber auch Ökonomie, Staats- und Kameralwisssenschaften sowie Hebraica und Judaica.

Alexander Haindorf wurde am 02.05.1784 im kurkölnischen Sauerland (Lenhausen) geboren. Bereits in seiner Kindheit erlebte er die Zurücksetzung und Ablehnung seiner Glaubensgenoss*innen durch die christliche Bevölkerung. Prägend für ihn wurde die Begegnung mit einer der bedeutendsten Persönlichkeiten jüdischen Glaubens im Westfalen des ausgehenden 18. Jahrhunderts, dem liberalen Rabbiner von Hamm, Anschel Hertz (1730–1811). Dieser ermöglichte dem jungen Alexander Haindorf (wie er sich ab 1808 nannte) den Besuch des traditionsreichen Gymnasiums zu Hamm (hier war Haindorf der erste jüdische Schüler) und später den Besuch der Universitäten Würzburg, Jena und Heidelberg, wo Haindorf Medizin sowie Philosophie und Geschichte studierte. Anschel Hertz dürfte auch seine bibliophilen und künstlerischen Neigungen gefördert haben, die später in den Aufbau einer großen Privatbibliothek und einer umfänglichen Kunstsammlung mündeten. Die Habilitation des jungen Haindorf mit der Schrift Versuch einer Pathologie und Therapie der Geistes- und Gemüthskrankheiten (Heidelberg 1811) konnte Hertz somit noch erleben.

Der junge Wissenschaftler konnte als erster jüdischer Privatdozent in Heidelberg lehren, ehe er eine zweijährige Studien- und Bildungsreise nach Frankreich unternahm. Auch diese brachte ein wissenschaftliches Ergebnis in Form der Publikation Beiträge zur Culturgeschichte der Medizin und Chirurgie Frankreichs und vorzüglich seiner Hauptstadt… (Göttingen 1815). Nach wenigen Jahren im preußischen Dienst (Militärlazarett Wesel, später Münster) eröffnete er 1815 in Münster eine Praxis als Nervenarzt.

Neben seinen medizinischen und kulturgeschichtlichen Studien widmete sich Haindorf der Politik, insbesondere der Bildungs- und Integrationspolitik. Hinzuweisen ist auf seine zahlreichen Initiativen im Bereich der Bildung der jüdischen Bevölkerung, vornehmlich der Kinder und Jugendlichen, und der Judenemanzipation, in seiner eigenen Diktion "Amalgamierung jüdischer und christlicher Kultur" genannt. Insbesondere seine Aktivitäten im "Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden" sowie die Gründung des "Vereins zur Beförderung von Handwerken unter den Juden und zur Errichtung einer Schulanstalt, worinnen arme und verwaiste Kinder unterrichtet und künftige jüdische Schullehrer gebildet werden sollen", verdienen Hervorhebung.

Büste von Alexander Haindorf

Als Sammler von Kunstwerken, als Herausgeber, Verfasser und Übersetzer von populärwissenschaftlichen Schriften und Anthologien sowie als Sammler einer großen Bibliothek und Bibliophiler trat er ebenfalls hervor. Er starb, geachtet und geehrt, am 16.10.1862. Sein Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof in Münster.

Alexander Haindorfs Frau Sophie starb 1816 im Kindbett. Ihre Tochter Sophie Haindorf heiratete Jacob Loeb. Deren Ururenkel war Walter Böhme (1923–2008), verheiratet mit Helga Böhme, welche die Bibliothek der ULB Münster übergab.

Haindorfs Bibliothek erfuhr somit im Laufe der Jahre bedeutende Erweiterungen. Daher wird die Sammlung "Bibliothek Haindorf / Sammlung Loeb Böhme" genannt.

Die Geschichte der Bibliothek, ihre Rettung über zum Teil turbulente Zeiten, wird zu einem späteren Zeitpunkt publiziert werden.

Stand: 01.10.2012

Nutzung

Die Bibliothek Alexander Haindorf / Sammlung Loeb Böhme steht als geschlossene Sammlung im Rara-Magazin der ULB. Dazu gibt es eine systematische Übersicht (barrierefreies PDF). Die Werke werden sukzessive in KatalogPlus nachgewiesen und sind zur Nutzung in den Handschriften-Lesesaal bestellbar.
Eine Auswahl digitalisierter Werke aus dieser Sammlung steht im ULB-Portal Kulturgut digital zur Verfügung. Die Digitalisierung wird stetig fortgeschrieben.