Ein Neubeginn: Das Jesuitenkolleg Münster und seine Bibliothek seit 1588

Ignacio de Loyola: Exercitia spiritvalia. – Viennae: Collegij Societatis 1563.
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Bereits einige Jahre vor der Gründung des Jesuitenkollegs in Münster wurde der Wunsch der Münsteraner Fürstbischöfe Bernhard von Raesfeld (reg. 1557–1566) und Johann von Hoya (reg. 1566–1574), eine Jesuitenniederlassung in ihrer Haupt- und Residenzstadt anzusiedeln, deutlich. Dieser Wunsch konnte allerdings erst durch Gottfried von Raesfeld realisiert werden, der sich maßgeblich für eine Niederlassung der Jesuiten in Münster engagierte. Nach erfolglosen Verhandlungen mit den Jesuiten in Fulda führte Gottfried Gespräche mit den Paderborner Jesuiten, die ihr Interesse an einer Münsteraner Niederlassung signalisierten. Trotz aller Bemühungen konnte die Gründung des Jesuitenkollegs erst nach Gottfrieds Tod im Jahr 1586 erfolgen. Testamentarisch legte er fest, dass sein Vermögen der Gründung der Münsteraner Jesuitenniederlassung zugutekommen sollte. Rund zwei Jahre später – am 13. September 1588 – erhielten die Jesuiten den Stiftungsbrief, in dem sie beauftragt wurden, sowohl den Gymnasialunterricht am Paulinum als auch Vorlesungen für angehende Geistliche und den Klerus der Diözese zu übernehmen.

Die Bedeutung der Bibliotheken für die Jesuiten

Urkunde
Abb.: Stiftungsurkunde des Münsteraner Jesuitenkollegs: Copia authentica fundationis primae Collegii Societatis Jesu Monasterii. (LA Münster, Studienfonds Münster, Jesuitenkolleg Münster – Urkunde Nr. 231)

Die Jesuiten sprachen den Bibliotheken zwei zentrale Bedeutungen zu: Zum einen waren sie im Bereich der Bildung seit der Ordensgründung sehr aktiv, wodurch auch den Bibliotheken – den Orten, an denen Wissen gesammelt und zugänglich gemacht wurde – ein besonderer Stellenwert zugesprochen wurde. Zum anderen erkannten sie früh, welche Bedeutung dem Buch als Meinungsbildner im Zuge der konfessionellen Auseinandersetzung zukam. Einrichtung und Organisation einer Bibliothek wurden somit zu einem zentralen Thema der Jesuitenniederlassungen. Wie zentral eine Bibliothek für die Jesuiten war, erklärte Petrus Canisius, erster Provinzial Deutschlands, dem „ein Kollegium ohne eine eigene Kirche lieber sei, als ein Kollegium ohne eigene Bibliothek“. Auch anhand der Ordensregel, die seit 1582 Gültigkeit besaß, wird deutlich, welchen besonderen Stellenwert die Bibliothek bei den Jesuiten einnahm. In einem eigenen Kapitel wurden die Aufgaben des Bibliothekspräfekten, der für die Verwaltung der Bibliothek zuständig war, beschrieben. Darin enthalten waren u.a. Anweisungen für den Erwerb, die Katalogisierung und die Aufstellung von Büchern.

Die Jesuitenbibliothek in Münster

Titelblatt Exercitia spiritualia
Abb.: Die Exercitia spiritualia des Ordensgründers Ignatius von Loyala durften in keiner Bibliothek fehlen.v
© ULB

In Münster wurde gleich nach der Gründung des Jesuitenkollegs 1588 mit der Einrichtung einer Bibliothek begonnen.

Pater Jakob Rischwich – einer der ersten jesuitischen Amtsträger in Münster – wurde zum ersten Verwalter der Bibliothek ernannt. Zunächst wurde die Bibliothek in einem der Häuser untergebracht, die den Jesuiten bei der Gründung überlassen worden waren. Ob der Bibliothek bereits zu dieser Zeit ein eigener Etat zur Verfügung stand, kann heute nicht mehr rekonstruiert werden; erstmals erwähnt werden Ausgaben für Bücher jedoch im Jahr 1606. Der zunächst stetig wachsende Etat ermöglichte die Anschaffung zahlreicher Bücher, die durch Schenkungen von Privatpersonen ergänzt wurden. Erst ab 1679 führten die Jesuiten Rechnungsbücher, in denen auch Bibliothekskosten verzeichnet wurden. Auskünfte über Bücher wurden allerdings unklar und lückenhaft geführt, sodass es nicht immer möglich ist zu ermitteln, wann die Jesuiten welche Bücher anschafften. Viele sind jedoch mit dem Erwerbungsjahr gekennzeichnet.

Der Bestand aus der ehemaligen Jesuitenbibliothek

Besitzvermerk
Abb.: Besitzvermerk aus dem Gründungsjahr in einem Band der Exercitia spiritualia des Ignatius von Loyala.
© ULB

Nachdem der Orden 1773 aufgehoben worden war und sein Münsteraner Vermögen für die neu zu gründende Universität verwandt wurde, ging der Bestand der ehemaligen Jesuitenbibliothek in die Bibliothek der 1780 eröffneten Universität Münster über, die allmählich zu einer öffentlichen Universitätseinrichtung ausgebaut wurde. Diese Bibliothek bestand auch nach der Schließung der alten Universität weiter und wurde folgerichtig Grundstock der 1902 erfolgten Neugründung. Sie konnte sich auch im 20. Jahrhundert dank guten Etats und zahlreicher Schenkungen und Überweisungen geschlossener Sammlungen gut entwickeln.

Durch die Bombenangriffe vom 26. Oktober 1944 und vom 25. März 1945 verbrannten knapp zwei Drittel des Bibliotheksbestandes, wovon auch ein Großteil des Bestandes der ehemaligen Jesuitenbibliothek betroffen war. Da der Bestand von den Jesuiten jedoch durch eine auffällige Signatur und zudem oftmals mit dem Besitzvermerk Collegii Societatis Jesu Monasterii gekennzeichnet worden war, konnten die erhaltenen Bücher zweifelsfrei als Jesuitenbestand erkannt werden. Insgesamt konnten so etwas mehr als 1.000 Bände der ehemaligen Jesuitenbibliothek zugeordnet werden, die u.a. aus den Bereichen der Praktischen Theologie, Kirchengeschichte, Religionswissenschaft, Geschichte und Kulturgeschichte, Staatswissenschaft, Rechtswissenschaft, Mathematik und Astronomie, Naturwissenschaft, Medizin, humanistischen Schriften, Philosophie sowie aus besonderer Jesuitendichtung (Periochen) bestanden. Ein Beispiel aus dem Gründungsbestand der ehemaligen Jesuitenbibliothek ist das schon erwähnte Werk des Ignatius von Loyola.

Literaturhinweise

COENEN, Jürgen: Die Bibliothek des ehemaligen Jesuitenkollegs in Münster
In: Helga Oesterreich u.a. (Hgg.): Bibliothek in vier Jahrhunderten. Jesuitenbibliothek – Bibliotheca Paulina – Universitätsbibliothek in Münster 1588–1988. – Münster 1988, S. 11–49.

SOWADE, Herbert: Art. Münster – Jesuiten
In: Karl Hengst (Hg.): Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung. – Münster 1994, S. 88–96.