Rudolf Schöpper: Die politischen Karikaturen

In dem bekannten münsterschen Restaurant "Kleiner Kiepenkerl" hängen in einer Ecke links neben der Theke über dem Stammtisch zahlreiche Zeichnungen mit politischem Inhalt. Beim genauen Hinsehen fällt auf, dass die Bilder alle aus einer Feder stammen. Es handelt sich um  Originale von Karikaturen, die der Künstler Rudolf Schöpper in den Jahren von 1978 bis 1990 in den Westfälischen Nachrichten veröffentlicht hat. Auch die Aufstellschilder, mit denen ein Tisch reserviert wird, und andere praktische Ankündigungen enthalten Zeichnungen von Rudolf Schöpper. Dies ist ein klares Zeichen für die Bekanntheit und Beliebtheit des Karikaturisten.

Über 20 Jahre hinweg waren die Karikaturen Rudolf Schöppers zu einem Aushängeschild der Zeitungen geworden, in denen sie gedruckt wurden (Westfälische Rundschau, Ruhr-Nachrichten, Kölnische Rundschau, Westfalenblatt, Westfalenpost und von Anfang der 70er-Jahre bis 1991 Westfälische Nachrichten). Viele Leser haben die Karikaturen ausgeschnitten, bei sich zuhause aufgehängt oder in Mappen und Kartons gesammelt. Die ULB war deswegen hocherfreut, als ihr 2009 die Originale der Karikaturen quasi als Nachlass von Rudolf Schöpper und seiner Ehefrau angeboten wurden. Die ULB sah hierin die einmalige Möglichkeit, eine unvergleichliche Quelle der Zeitgeschichte zu erwerben und Studierenden und Wissenschaftlern einen besonderen Blick auf die politischen Ereignisse der jüngeren Vergangenheit zu gewähren. Kurz vor seinem Tode Ende 2009 unterzeichnete der Künstler zusammen mit der Rektorin der Universität, Frau Prof. Dr. Nelles, den Übernahmevertrag.

Die ULB war sich der Tragweite dieser Erwerbung wohl bewusst: Immerhin handelte es sich um ca. 7.500 Zeichnungen, zumeist auf DIN A 4-Zeichenkarton oder größer, die nun nach bibliothekarisch-wissenschaftlichen Methoden für die Benutzung aufbereitet werden mussten. Zwar waren die Blätter einigermaßen zeitlich geordnet, doch alle Blätter mussten formal katalogisiert (also bibliographisch erschlossen)  werden. Hier hat ein Team von Kolleginnen bereits nahezu alle Blätter fertig aufgenommen. Zum anderen entschloss sich die ULB, die Karikaturen inhaltlich zu beschreiben und sie somit in den entsprechenden  zeitgeschichtlichen und politischen Rahmen zu stellen. Hierzu wird jedes Blatt mit Schlagwörtern versehen und somit in einem Schlagwortkatalog suchbar gemacht. Zudem sollte jede auf den Karikaturen abgebildete Person genannt und gesondert verzeichnet werden, damit auch die Namen im Katalog auffindbar wurden. Dies ist der aufwändigere Teil der Bearbeitung der Karikaturen, so dass bisher nur etwa die Hälfte der Gesamtzahl inhaltlich erschlossen ist.

Schöpper ist ein Zeichner, der die karikierten Personen bei aller satirischen Zuspitzung recht "naturgetreu" abbildet. So ist es selten schwierig, die Personen in den Bildern zu erkennen – wenn man genau weiß, um welche politische Situation es sich denn handelt. Aber auch dann kann es zu Fragezeichen kommen. In der Karikatur vom Vortag der Regierungserklärung Willy Brandts zum 17.1.1973 sind eine Reihe von Personen abgebildet, die gut erkennbar sind: Am "Lehrerpult" Bundeskanzler Willy Brandt, sein Vizekanzler und Außenminister Walter Scheel, Bundestagspräsidentin Annemarie Renger, in den "Schulbänken" SPD-Fraktionschef Herbert Wehner, Oppositionsführer Rainer Barzel, CSU-Chef Franz Josef Strauß, durch die Tür kommen Brandts Vorgänger als Kanzler Kurt-Georg Kiesinger, Ex-Kanzler Ludwig Erhard und der ehemalige Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel.

Karikatur 1973 zur Regierungserklärung
© ULB

Doch wer ist das neben Wehner in der ersten Bank? Im Katalog zu einer Ausstellung mit Schöpper-Karikaturen im Stadtmuseum Münster 1990 (Karikaturen von Rudolf Schöpper. Stadtmuseum Münster 7. Dezember 1990 – 21. April 1991. Münster: Aschendorff, 1990. S. 61) wird vermutet, dass es sich um Fritz Erler handelt, der u.a. Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag von 1964 bis 1966 war. Aber Erler ist schon 1967 gestorben, wieso sitzt er bei der Regierungserklärung Willy Brandts von 1973 in der ersten Reihe? Soll nur sein Geist beschworen werden? Oder ist es doch jemand anderes?

Karikatur 1990 zu deutsch-sowjetischen Verhandlungen
© ULB

Bei den Zeitungslesern in Münster besonders beliebt waren naturgemäß Karikaturen mit "Lokalkolorit". Manchmal konnte Schöpper hier die große Tagespolitik mit Münster verbinden und sogar historische Bezüge in einer Zeichnung kombinieren. Das Blatt "Historischer Augenblick" vom 17.6.1990, das sich mit den deutsch-sowjetischen Verhandlungen über die zukünftige deutsche Einheit in Münster befasst, verknüpft die historische Bedeutung Münsters als Stadt des westfälischen Friedens mit den Erwartungen an die aktuellen Gespräche. Eduard Schewardnadse und Hans-Dietrich Genscher, gekleidet als Ritter aus der Zeit des 30-jährigen Krieges, werden geführt vom Knappen Jürgen W. Möllemann, damals FDP-Vorsitzender von Nordrhein-Westfalen und Bundesbildungsminister, der allerdings an den Gesprächen gar nicht beteiligt war – aber bei einem Bild mit Bezug zu Münster durfte er natürlich nicht fehlen.

Rudolf Schöppers Zeichnungen verbinden als typische Karikaturen Witz, Satire und Ironie mit kleinen Sticheleien und Frechheiten. Dabei beleidigt Schöpper aber nie, man erkennt immer eine gewisse Sympathie zu seinen Figuren. In einem Gespräch anlässlich der Übernahme seines Werkes durch die ULB erzählte er, dass er nur einmal mit einem Politiker Ärger gehabt habe. Franz Josef Strauß habe sich über seine angeblich nicht faire Darstellung durch Schöpper beschwert. Die Differenzen seien dann aber bei einem Glas Bier in Bonn beigelegt worden.

Für sein Werk ist Rudolf Schöpper bereits früh mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Journalistenpreis des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, ausgezeichnet worden (1969). 1974 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

Die Karikaturen Rudolf Schöppers werden in der ULB Münster in dem für Nachlässe und Sondersammlungen konzipierten Katalogisierungssystem HANS erschlossen. Dort sind alle bisher bearbeiteten Blätter recherchierbar. Gleichzeitig hat die ULB die ersten ca. 1.500 Karikaturen (dies sind die Zeichnungen der letzten 10 Schaffensjahre Schöppers von 1982 – 1991) digitalisiert, also eingescannt, sie sind online abrufbar. Die nächsten 10 Jahre sind derzeit in Bearbeitung und werden demnächst digitalisiert.

Neben den politischen Karikaturen Rudolf Schöppers besitzt die ULB Münster auch seinen sonstigen künstlerischen Nachlass. Hierbei handelt es sich um Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen u.ä. Eine Findliste dieser Werke ist einseh- und recherchierbar. Näheres zu Rudolf Schöppers Leben und Werk ist in knapper Form auf der Nachlass-Seite Schöpper zu lesen.

Klaus Hilgemann