Meister der Einbandkunst: Handeinbände

Die Sammlung künstlerischer Handeinbände, die in dieser Art wohl einmalig ist, umfasst zurzeit ca. 300 Bände und ca. 30 Alben, Kassetten, buchbinderisch gefertigte Schachteln usw. Sie sind besonders gesichert in einem klimatisierten Sonderbereich untergebracht.

Was als "künstlerischer Handeinband" einzustufen ist, entscheidet nicht die Bibliothek. Die Festlegung erfolgt in allen Zweifelsfällen in Zusammenarbeit und Abstimmung mit einem MDE-Beauftragten. So finden sich neben aufwändigen Ganzfranzbänden mit Blind- und Goldprägung zum Beispiel auch schlichte Inselbändchen, die von Otto Pfaff in den fünfziger Jahren mit damals neuartigen, von ihm und seinen Schülern geschaffenen Kleisterpapieren bezogen wurden. Frida Schoy, die bekannte Dozentin an der früheren Folkwangschule Essen, hat für den eigenen Gebrauch Fachbücher teilweise sehr geringen Umfangs in uniforme Halblederbändchen gebunden. Einige davon wurden zu den „Künstlerischen Handeinbänden" gestellt - als Beispiele für den sachlich-strengen, handwerklich immer äußerst präzisen Stil dieser Einbandkünstlerin.

Viele der hier versammelten Einbände wurden nicht nur zu Präsentationszwecken geschaffen, sondern  als Fachbücher genutzt, gelesen, verliehen, zu Ausstellungen verschickt usw. Das ist an den Bänden nicht spurlos vorübergegangen. Und doch zeigen diese durch ihre wechselvolle Vergangenheit geprägten Einbände nicht weniger, dass sie von Meisterhand geschaffen wurden, als die gänzlich unberührten. Sie beweisen, dass sich künstlerische Gestaltung, handwerkliche Meisterschaft und praktische Brauchbarkeit beim guten Handeinband nicht ausschließen. Doch sollte der Härtetest im MDE-Archiv nicht fortgesetzt werden. Deshalb dürfen die künstlerischen Handeinbände im MDE-Bestand nur unter Aufsicht im Handschriftenlesesaal der Bibliothek ein- bzw. angesehen werden. Nur mit Genehmigung des Vorstandes des MDE ist eine Ausleihe zu Ausstellungszwecken möglich.

Die Liste der im MDE-Archiv mit Handeinbänden vertretenen Meisterinnen und Meister ist inzwischen schon recht lang. Leider aber fehlen die ganz großen international geschätzten Namen wie, z.B. Kersten, Dorfner (von dem das Archiv allerdings einige Briefe besitzt) oder gar Wiemeler. Kersten hat dem MDE allerdings nie angehört.

Das Archiv hat auch sonst eine Reihe bemerkenswerter Arbeiten von Nichtmitgliedern (z.B. von Frida Schoy oder Margret Schulte-Vogelheim).

Auf der anderen Seite ist nur ein relativ kleiner Teil der früheren wie der heutigen MDE-Mitglieder mit eigenen Arbeiten vertreten. Diese scheinbaren Ungereimtheiten werden leichter verständlich, wenn man bedenkt, dass das MDE-Archiv keinen eigenen Erwerbungsetat hat, sondern ausschließlich von Schenkungen lebt. Meisterinnen und Meister schenken Fachbücher und Handeinbände aus ihrem Besitz oder bemühen sich um Nachlässe von Kollegen, die im Ruhestand oder verstorben sind.
Bedauerlicherweise sind bis jetzt nur wenige Einband-Beispiele von noch berufstätigen Buchbindern vorhanden. Obwohl Gründungspräsident Gotthilf Kurz schon vor 25 Jahren angeregt hatte, jedes aktive Mitglied solle wenigstens ein Beispiel seines Könnens im Archiv deponieren. Aber man muss sich auf der anderen Seite auch vor Augen halten, dass gerade Buchbinderinnen und Buchbinder, die eine eigene Werkstatt haben, freie Stücke als Beispiele behalten müssen, die man Kunden vorlegen, auf Ausstellungen präsentieren kann usw.

Dennoch sind im MDE-Archiv auch einige Arbeiten jüngster Zeit zu finden, so von August Kulche aus Brüssel,  Edgar Claes (Kreuzherrenbruder in Diest/Belgien) und Annemarie Miessen.