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WDR ZeitZeichen zur Geburtsstunde des indischen Films mit dem Stummfilm „Raja Harishchandra“

Logo WDR bei Wikimedia Commons„Der Stumm­film „Raja Har­ishchan­dra“ über einen mythol­o­gis­chen König markiert den Beginn des indis­chen Kinos. 110 Jahre später ist Indi­en der wohl größte Film­pro­duk­tion­s­stan­dort der Welt.
Dadasa­heb Phalke ist ein Mann mit Visio­nen. Der Land­schafts­maler, Fotograf und Zauberkün­stler sieht 1911 einen franzö­sis­chen Stumm­film über das Leben von Jesus Chris­tus, der ihn elek­trisiert: Was, wenn statt Jesus die indis­chen Got­theit­en auf der Lein­wand erscheinen?
„Ich war von einem son­der­baren Zauber gepackt. Ich kaufte mir ein weit­eres Tick­et, um den Film noch ein­mal zu sehen. Dieses Mal fühlte ich, wie meine Vorstel­lungskraft auf der Lein­wand Gestalt annahm. Kön­nte das Wirk­lichkeit wer­den? Kön­nten wir, die Söhne Indi­ens, jemals indis­che Bilder auf der Lein­wand sehen?“ (Dadasa­heb Phalke)

Film­pi­onier gegen den Rat der Fre­unde
Dadasa­heb Phalke stört es, dass in Bom­bays Kinos nur aus­ländis­che Filme gezeigt wer­den. Er besorgt sich eine Kam­era und beschließt, selb­st einen Film zu drehen — obwohl ihn sog­ar seine besten Fre­unde für ver­rückt erk­lären. Seinen Stoff nimmt er aus dem indis­chen Nationale­pos „Mahab­hara­ta“.
Die Leg­ende über den aufrecht­en König Har­ishchan­dra ist in Indi­en äußerst beliebt. So wird Phalkes Stumm­film „Raja Har­ishchan­dra“ auch deshalb ein Erfolg, weil er zum ersten Mal eine Geschichte im Kino zeigt, die dem indis­chen Pub­likum ver­traut ist.

Geburtsstunde der indis­chen Fil­min­dus­trie
Schon die erste öffentliche Vorstel­lung am 3. Mai 1913 im Coro­na­tion Cin­e­ma in Bom­bay stößt auf so viel Begeis­terung, dass schnell weit­ere Kopi­en ange­fer­tigt wer­den. Die Vor­führung gilt als Beginn der indis­chen Fil­min­dus­trie, die schnell wächst und heute von der Anzahl der pro­duzierten Filme her als größte der Welt gilt.

Europäer und Amerikan­er ohne Inter­esse am indis­chen Pub­likum
Die Form, mythol­o­gis­che Stoffe in filmis­ch­er Form aufzu­bere­it­en, erweist sich als außeror­dentlich pop­ulär und erschließt ein Pub­likum, an dem die amerikanis­chen und europäis­chen Fil­min­dus­trien auch gar nicht so wahnsin­nig inter­essiert ist, erk­lärt Vinzenz Hedi­ger, Pro­fes­sor für Theater‑, Film und Medi­en­wis­senschaften an der Goethe-Uni­ver­sität Frank­furt.

Indis­che Filme wer­den qui­etschbunte Wun­dertüten
Dadasa­heb Phalke selb­st dreht noch rund hun­dert weit­ere Streifen zu mythol­o­gis­chen The­men. In den 1920er-Jahren entste­hen allerd­ings zunehmend andere Gen­res — und das indis­che Kino wird kom­merzieller.
Mit dem Ton­film kom­men die Songs und Tanzein­la­gen dazu, die auch das indis­che The­ater prä­gen. Außer­dem spie­len von Anfang an die neun Rasas aus der klas­sis­chen Ästhetik eine Rolle: Jedes Werk soll Liebe, Humor, Pathos, Tapfer­keit, Wut, Schreck­en, Abscheu, Wun­der­sames und Fried­volles enthal­ten. So sind indis­che Filme oft qui­etschbunte Wun­dertüten mit emo­tionalen Berg- und Tal­fahrten.

Viel mehr als nur „Bol­ly­wood“
Der Begriff „Bol­ly­wood“, der sich aus Bom­bay und Hol­ly­wood zusam­menset­zt und meist für bon­bon­bunte Romanzen mit Gesangs- und Tanzein­la­gen ver­wen­det wird, ist in Indi­en allerd­ings nicht son­der­lich beliebt. Und er wird auch der Vielfalt der indis­chen Film­pro­duk­tion nicht gerecht.“
(WDR, Chris­tiane Kop­ka, Mat­ti Hesse)

Sie kön­nen die Sendung, die am 3.5.2023 in der Rei­he „ZeitZe­ichen“ lief, über die Seite des WDR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.

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