Nachlass Adolf von Hatzfeld

Alle Dichter Westfalens haben versucht, zu einer eigenen Freiheit zu gelangen, und fast keiner hat es erreicht.
Adolf von Hatzfeld in "Westfalen und seine Dichter"
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Adolf von Hatzfeld an Wilhelm Schmidtbonn, 30.10.1928
Mein Vater war ein furchtbarer Mensch, aber ich liebte ihn abgöttisch. Sein Wort war mir Gesetz.
Elisabeth Deinhard, geb. von Hatzfeld
Adolf von Hatzfeld (Originalgröße)
© ULB

Zur Person

* 3. September 1892 in Olpe
† 25. Juli 1957 in Bad Godesberg

Der dem westfälischen Adel entstammende Adolf von Hatzfeld verlebte Kindheit und Jugend in Hamm und Düsseldorf. Vor dem Abitur 1911 zeigten sich bereits in der Schulzeit sein Freiheitsdrang, sein Hang zu Disziplinlosigkeit und auch zum Schuldenmachen. Nach einer abgebrochenen Kaufmannslehre in Hamburg scheiterte Hatzfeld 1913 auch an einer Offiziersausbildung in Bückeburg, u. a. weil er Schulden nicht zurückzahlen konnte. Daraufhin unternahm er einen Suizidversuch. Dieser misslang. Hatzfeld überlebte schwer verletzt und erblindet.

Nach seiner Genesung erhielt er im Dürener Annaheim eine Ausbildung in Blindenschrift, Schreibmaschine und Kurzschrift, schrieb erste Gedichte und Novellen. Während des Ersten Weltkriegs absolvierte Adolf von Hatzfeld ein Studium der Germanistik, Philosophie, Kunstgeschichte in Münster, Freiburg und Marburg, das er 1919 mit einer Promotion zum Thema Achim von Arnims "Kronenwächter" und der romantische Roman abschloss. Seine Erblindung hinderte ihn 1917 nicht daran, seinen Wohnsitz nach München zu verlegen, als freier Schriftsteller zu arbeiten und 1918 mit dem Roman Franziskus, einem der Hauptwerke des deutschen Expressionismus, erste literarische Erfolge zu feiern. In München pflegte er Bekanntschaften mit so bedeutenden Literaten wie Thomas Mann und Rainer Maria Rilke.

Von 1919 bis 1921 studierte Hatzfeld Psychologie, Philosophie und Volkswirtschaftslehre, danach reiste er viel, häufig nach Italien und Flandern, aber auch nach Skandinavien, Schottland, Nordafrika, Persien, in den Sudan und auf die Krim. Seit Beginn der 1920er Jahre pflegte Hatzfeld Freundschaften zu rheinisch-westfälischen Schriftstellern. 1926 gründete er mit Alfons Paquet den Bund Rheinischer Dichter, ab 1929 engagierte er sich für die Rheinische Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Liga der Menschenrechte.

Nachdem er 1925 auf einer Italienreise seine Begleiterin Mathilde Wegeler geheiratet hatte, eine Tochter des Mitinhabers der Sektfirma Deinhard, zog Hatzfeld von Köln in eine Villa (Hochzeitsgeschenk seines Schwiegervaters) nach Godesberg. Dort wurden seine Kinder Elisabeth (1926) und Georg (1929) geboren. Die Ehe mit Mathilde begann Anfang der 1930er Jahre zu kriseln. Hatzfeld hatte Affären, u. a. mit seiner Sekretärin Erika Quadbeck. Das Ehepaar Hatzfeld vermied den Kindern zuliebe eine Scheidung. Adolf von Hatzfeld zog 1935 zusammen mit seiner Sekretärin in ein für ihn gebautes "Haus am Haarweg" bei Ense-Bittingen. Seine Ehefrau blieb mit den Kindern in Godesberg. Ihnen wurde erklärt: "Papa ist Westfale, er kann nur in Westfalen dichten."

Persönliche Krisen ließen Hatzfelds literarische Entwicklung stagnieren. Er hatte finanzielle und gesundheitliche Probleme, konnte die Abgeschiedenheit seines Landhauses nur schwer ertragen. Hatte er sich zuerst den neuen Entwicklungen durch die national-sozialistische Machtergreifung widersetzt und sich damit im Literaturbetrieb isoliert (ihm verschlossen sich Publikationsmöglichkeiten), trat er 1936 in die Reichsschrifttumskammer ein und 1937 in die NSDAP, u. a. beeinflusst durch seine völkisch und antisemitisch eingestellte Sekretärin. So wurde Hatzfeld Teil des nationalsozialistischen Kulturbetriebs mit Auftritten bei kulturellen Parteiveranstaltungen. Außerdem widmete er sich der Pflege der deutsch-flämischen Beziehungen, insbesondere zu Felix Timmermans.

Als 1939 seine Ehefrau Mathilde verstarb, kehrte Hatzfeld zurück nach Godesberg, das "Haus auf der Haar" wurde verkauft. Der Aufenthalt in Westfalen hatte ihn enttäuscht, auch hatte er den erhofften Westfälischen Literaturpreis nicht erhalten. Erst 1953 bekam er vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe den Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis verliehen.
Eine Erkrankung seines Sohnes Georg nahm Adolf von Hatzfeld zum Anlass, das von ihm immer abgelehnte, schwer erziehbare Kind nach Garmisch zu schicken, wo er von Verwandten aufgenommen und erzogen wurde. Seine geliebte Tochter Elisabeth blieb bei ihm in Godesberg. Die weiteren Entwicklungen sorgten allerdings dafür, dass sich auch das Verhältnis zwischen Vater und Tochter drastisch verschlechterte.
Die von Erika Quadbeck erhoffte Ehe mit Hatzfeld kam nicht zustande. Als sie 1943 einen Offizier ehelichte, führte sie Hatzfeld die 17-jährige Ruth Faßbender zu, eine Schulfreundin seiner Tochter Elisabeth. Diese neue Mitarbeiterin und Geliebte sorgte für Spannungen zwischen Vater und Tochter.

In der Nachkriegszeit konnte Adolf von Hatzfeld nicht mehr an seine Vorkriegserfolge anknüpfen. Sein pazifistisches Engagement mit Annäherung an kommunistische Positionen passte nicht in die deutsche Nachkriegszeit. Er wurde zum Außenseiter, erlebte Hunger und Krankheiten. Wie so oft in Geldnöten, verkaufte Hatzfeld wertvolle Gegenstände aus seinem Haushalt, verschaffte sich außerdem Zugang zur Erbschaft seiner Kinder, während diese weitestgehend für sich selbst sorgen mussten. 1948 wurde die Kugel herausoperiert, die sich seit dem Suizidversuch in seinem Kopf befunden hatte, was zu einem langen Krankenhausaufenthalt führte. Von 1949 bis 1951 arbeitete Hatzfeld für die Wetzlarer Neue Zeitung. 1952 heiratete er Ruth Faßbender. Als Adolf von Hatzfeld 1957 in Bad Godesberg starb, hatte er seine beiden Kinder zugunsten seiner zweiten Ehefrau Ruth enterbt.

Zum Nachlass

Nach dem Tode Adolf von Hatzfelds wurde der größte Teil seines schriftlichen Nachlasses an die Stadt- und Landesbibliothek Dortmund verkauft. 2014 erhielt die Universitäts- und Landesbibliothek Münster einen Nachlassteil aus dem Vorbesitz Ruth von Hatzfelds, der u. a. folgende Dokumente enthält:

  • Berufliche und private Korrespondenz
  • Werkmanuskripte
  • Zeitungs- und Zeitschriftenartikel von und über Hatzfeld
  • Fotos, Tonträger

2021 erhielt die ULB einen weiteren Nachlassteil aus dem Vorbesitz von Georg von Hatzfeld (1929–2000) und Elisabeth Deinhard (geb. von Hatzfeld, 1926–2012), der u. a. folgende Dokumente enthält:

  • Dokumente und Korrespondenzen betr. Mathilde von Hatzfeld (geb. Wegeler)
  • Korrespondenz Adolf von Hatzfelds betr. Deutsch-Vlämische Kulturtage 1939
  • Kondolenzbriefe an Elisabeth Deinhard anlässlich des Todes von Adolf von Hatzfeld
  • Korrespondenz Elisabeth Deinhard/Georg von Hatzfeld
  • Fotos
  • Tagebuchartige Aufzeichnung von Adolf von Hatzfeld (Kopien, ca. 1939–1941)
  • Erinnerungen an ihren Vater von Elisabeth Deinhard (Kopien)

Der Nachlass ist durch eine Findliste erschlossen.

Lesenswert

Adolf von Hatzfeld Lesebuch : zusammengestellt und mit einem Nachwort von Dieter Sudhoff.
Köln 2007
(Nylands Kleine Westfälische Bibliothek. 14)