Clausewitz-Freundeskreis besucht die ULB Münster

Präsentation im Handschriften-Lesesaal
Lebhafte Diskussionen im Handschriften-Lesesaal
© Rolf Gädke

Auf den Spuren des bekannten Generals und Militärtheoretikers besuchte der Burger Freundeskreis Carl von Clausewitz Anfang August die Universitäts- und Landesbibliothek Münster. Was könnte „Preußens geistreichster Soldat“ mit Münster und der ULB zu tun haben? Mehr als man sich gemeinhin vorstellt.

1955 erwarb die WWU auf Veranlassung von Prof. Werner Hahlweg Clausewitz-Dokumente, die seither im Handschriftenmagazin der ULB aufbewahrt werden. Hahlweg war von 1969 bis 1978 Professor für Militärgeschichte und Wehrwissenschaften an der WWU und gilt als einer der bedeutendsten Clausewitz-Forscher weltweit. Die ULB Münster hat 2016 den Teilnachlass Clausewitz komplett in ihren Digitalen Sammlungen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Darunter befinden sich die drei bedeutenden Werkmanuskripte „Kleiner Krieg“ (Clausewitz-Vorlesungen an der Kriegsschule in Berlin 1810-1811), „Feldzug von 1812 in Rußland“ (Napoleons Russland-Niederlage) und „Feldzug von 1815“ (Napoleons „Waterloo“), aber auch interessante Dokumente seiner Ehefrau Marie von Clausewitz (Tagebuchblätter aus dem Jahr 1813, die in knappen Eintragungen ihre Erlebnisse rund um die Völkerschlacht bei Leipzig dokumentieren, und ihr Erinnerungsalbum mit Aufzeichnungen betr. Carl von Clausewitz). Diese Dokumente wurden dem sehr interessierten Clausewitz-Freundeskreis im Original vorgelegt.

Vorgestellt wurden aber auch Originaldokumente mit Clausewitz-Bezug aus anderen Nachlässen oder Sammlungen. So besitzt die ULB einen Brief, den der „alte Haudegen“ Blücher an seine Gemahlin schrieb, nachdem er nach siegreicher Schlacht bei Waterloo am 4. Juli 1815 in Meudon über die Übergabe von Paris verhandelt hatte. Das Schreiben beginnt mit den Worten: Paris ist mein.
Gezeigt wurde auch ein Brief des Freiherrn vom Stein, den dieser am 8. November 1803 aus Münster an Ludwig von Wallmoden-Gimborn (u.a. Befehlshaber der Russisch-Deutschen Legion und somit ein Vorgesetzter von Carl von Clausewitz) sandte. Darin äußerte sich Stein, späterer Freund von Marie und Carl von Clausewitz, z.B. über die preußische Übernahme von Westfalen: Man kann die Maßnahmen sehr abmildern, und die Mittel zur Entschädigung wohl aufzeigen. Das Volk ist sanft und gut, aber seiner Religion äußerst verbunden, und man muß alles vermeiden, was es in diesem Sinne beunruhigen kann.
Bestaunt wurde eine „Anweisung zur Herstellung eines der Cholera vorbeugenden Mittels“, die Marie von Clausewitz 1831 an Gunda von Savigny sandte. Passend dazu wurde auch die „Uebersichtskarte der Verbreitung der Cholera morbus im Preussischen Staate, bis zum 1.sten October 1831“ im Original vorgestellt. Carl von Clausewitz verstarb am 16. November 1831 in Breslau an der Cholera.
Und natürlich wurde auch ein Schreiben von Werner Hahlweg gezeigt, in dem er sich zu seinen Forschungen an Clausewitz-Briefen äußert. Sein Brief wurde am 6. März 1961 aus Freiburg an Prof. Kurt von Raumer in Münster gesandt.
Auch diese Nachlassdokumente wurden vom Freundeskreis Clausewitz mit großer Begeisterung in Augenschein genommen und lebhaft diskutiert.

Zu erwähnen ist noch, dass Carls älterer Bruder Wilhelm Benedikt von Clausewitz lange Jahre in Münster verbrachte. Er wurde 1817 zum Leiter der Examinationskommission für die Portepee-Fähnriche ernannt und kommandierte von 1822 bis 1832 die 13. Landwehrbrigade in der bedeutenden Garnisonsstadt Münster. Ob sein berühmter jüngerer Bruder ihn hier besucht hat?
Dass Carl von Clausewitz sich tatsächlich einmal in der Nähe aufgehalten hat, belegt ein Brief, den er am 3. Juli 1807 aus Soissons an seine zukünftige Frau Marie schrieb:
Als wir uns im Frühjahr 1795 vom Rheine nach Westfalen wandten, wurden wir in der Grafschaft Tecklenburg usw. in sehr weitläufige Kantonierungen verlegt, in welchen wir bis zum Frieden stehenblieben. Die dortigen Dörfer sind so gebaut, daß jeder Landmann sein Eigentum um sein Haus versammelt hat, oder vielmehr, es gibt dort keine Dörfer, und die ganze Population des flachen Landes ist in solchen Patriarchensitzen über das ganze Feld hin zerstreut. In einem solchen Hause wohnte ich drei bis vier Monate allein unter einer Bauernfamilie. – Mit einem Male dem Schauplatze des Krieges entzogen, in die Stille des Landlebens in seiner ganzen Bedeutung versetzt, fiel der Blick des Geistes zum ersten Male in mein Inneres. Wir waren in der Nähe von Osnabrück; man konnte dort Bücher haben; ich fing an zu lesen und zufällig fielen mir einige Illuminatenschriften und andere Bücher über die Perfektibilität in die Hände. Da wurde mit einem Male die Eitelkeit des kleinen Soldaten zu einem äußerst philosophischen Ehrgeize, und ich befand mich damals der Schwärmerei so nahe als die Natur eines Geistes dies erlauben wollte, der überhaupt keine starke Tendenz dazu hat. Wäre indessen diese Glut in mir besser unterhalten und benutzt worden, so würde ich vielleicht um ein gutes Teil besser geworden sein als ich bin.

Der Freundeskreis Carl von Clausewitz hat auf der Rückfahrt nach Burg auch noch in Tecklenburg Station gemacht und dort die Aussicht auf das Münsterland genossen.

Birgit Heitfeld-Rydzik