Nachlass Anni Höing

Komisch ist es, dass andere Leute sich immer um Sachen kümmern müssen, die sie durchaus nichts angehen. Sie können scheinbar nicht anders, sie müssen Glück trüben, dann nennen sie es noch Nächstenliebe. Möge doch jeder vor seiner Tür kehren.
Anni Höing
Komisch ist es, dass unsere Münsteraner I. Bürger Centrumsmänner sind und ihre Angestellten bis aufs Blut aussaugen. Wem im Krieg die Augen nicht aufgegangen sind, dem werden sie in alle Ewigkeit nicht aufgehen, und wer sich durch seine Religion verpflichtet fühlt, anders zu wählen als seine Gesinnung ist, der hat sich gerade da fangen lassen, wo sie ihn haben wollten.
Anni Höing
Frau Hubert Höing, geb. Anna Topheide
© ULB

Zur Person

* 10. September 1894 in Münster
† 30. September 1974 in Fredeburg

Anna Höing, Tochter des Druckerei-Faktors Hermann Topheide, wuchs in Münsters Kreuzviertel auf. Da ihre ältere Schwester Friederike Lehrerin werden sollte, musste Anni, wie sie gerufen wurde, bereits mit 13 Jahren die Schulausbildung abbrechen. Ihre Eltern konnten sich das Schulgeld für eine zweite Tochter nicht leisten. Die Schwester wurde allerdings nicht um ihre strenge Lehrerinnenausbildung beneidet, was Anni folgendermaßen kommentierte: Die angehenden Lehrerinnen dürfen nur zu klassischen Stücken, wenn die in eine Operette gehen würden, dann ginge ja der Teufel auf Stelzen. Sie wurde als Lehrling in der Firma Kluxen angestellt und zur Buchhalterin ausgebildet. Sie arbeitete dort bis zum Februar 1915, konnte dann eine besser bezahlte Angestelltenstelle bei der AEG in Münster übernehmen.

Trotz großer familiärer Schwierigkeiten seitens ihrer Schwiegermutter konnte Anni Topheide sich am 8. April 1920 mit Hubert Höing vermählen und baute mit ihm zusammen eine Schreibwarenhandlung mit angeschlossenem Druckereibetrieb auf. Nach schwierigen Anfangsjahren aufgrund der katastrophalen wirtschaftlichen Lage nach dem ersten Weltkrieg florierte das Geschäft. 1933 konnte die Familie Höing sich sogar ein Wochenendhaus in Gelmer bauen.

Mit dem zweiten Weltkrieg gerieten Familie und Betrieb erneut in große Schwierigkeiten. Ab 1941 standen keine Hilfskräfte mehr für die Druckereiarbeiten zur Verfügung, sodass Anni und Hubert Höing den Betrieb allein aufrechterhalten mussten. Ab Juni 1943 wurde das Wochenendhaus in Gelmer allabendlich für Anni zur Zuflucht in Todesnot vor den schweren Luftangriffen auf die Westfalenmetropole, während Hubert Höing als Leiter eines zivilen Luftschutztrupps in Münster zurückblieb und unermüdlich bei Lösch- und Bergungsarbeiten half. Im Oktober 1944 wurde das Wohn- und Firmengebäude der Höings am Verspoel bei Luftangriffen völlig zerstört. Hubert Höing konnte nach dem zweiten Weltkrieg seine Firma erneut aufbauen.

In vier Tagebüchern dokumentierte Anni Höing neben Alltäglichem wie Familie, Nachbarschaft, „Backfisch“-Schwärmereien, Beziehungsproblemen, sozialen Spannungen und Ausbildung auf eindrucksvolle Weise ihre jahrzehntelange schwere Arbeit für Familie und Betrieb. Ihre Schilderungen der „ausbeuterischen“ Firma Kluxen am Prinzipalmarkt sind interessant. Ihre anfangs oft humorvollen später eher verzweifelten Tagebuch-Einträge beschreiben beispielhaft das Leben der Münsteraner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere aber die große Not der Menschen in den zwei Weltkriegen.

Zum Nachlass

Der Nachlass Höing wurde 2017 von der Universitäts- und Landesbibliothek Münster erworben und umfasst in 2 Kapseln u.a. folgende Dokumente:

  • Tagebücher
  • Fotoalben
  • Korrespondenz

Der Nachlass ist in HANS erschlossen und zum großen Teil digitalisiert.