Permalink

0

WDR ZeitZeichen zu Heinrich Friedrich von Diez

Logo WDR bei Wikimedia Commons
„Mit einem Wid­mungs­gedicht dankt Johann Wolf­gang von Goethe dem Mann, der ihn zum „West-östlichen Divan“ inspiri­erte. His­torik­er sehen in Hein­rich Friedrich von Diez den „ori­en­tal­is­chen Berater“ Goethes. Rund 17.000 kost­bare Werke und Münzen der östlichen Kul­tur­welt hat Diez gesam­melt; er gilt als ein­er der her­aus­ra­gen­den Ori­en­tal­is­ten sein­er Zeit.

Schon in jun­gen Jahren ist der Sohn eines Tex­til­händlers eine höchst stat­tliche Erschei­n­ung. Sehr groß von Statur und mit nicht min­der großem Selb­st­be­wusst­sein habe er sich zu Außergewöhn­lichem berufen gefühlt, weiß Diez-Experte Christoph Rauch, Leit­er der Ori­entabteilung der Berlin­er Staats­bib­lio­thek.
Bald nach Hein­rich Friedrichs Geburt am 2. Sep­tem­ber 1751 in Bern­burg an der Saale siedelt die Fam­i­lie nach Magde­burg um, in die Heimat­stadt der Mut­ter. Als Schüler ent­deckt Diez dort sein großes Inter­esse für die Geschichte und Sprachen des geheimnisvollen Ori­ents. Auf Geheiß des Vaters studiert er jedoch Jura in Halle.
Vom ver­nun­fto­ri­en­tierten Denken der Aufk­lärung geprägt, schließt sich der frei­denkerische Diez ein­er Loge an und veröf­fentlicht reli­gion­skri­tis­che Schriften. „Er hat sich sehr mit gesellschaft­spoli­tis­chen Fra­gen beschäftigt und ist auch ganz unbe­fan­gen an die Kul­tur des Ori­ents herange­gan­gen“, so Christoph Rauch.

Preußens Mann am Bosporus
Nach seinem Studi­um tritt Hein­rich Friedrich Dietz in Magde­burg als Ref­er­en­dar in den Jus­tiz­di­enst ein. Schnell steigt er zum Kan­zlei­di­rek­tor auf und hat das triste Beam­ten­da­sein bald satt. 1784 erfährt Diez von ein­er aus­geschriebe­nen Stelle als preußis­ch­er Geschäft­sträger in Kon­stan­tinopel. Ohne jede diplo­ma­tis­che Erfahrung und türkische Sprachken­nt­nisse bewirbt sich der Über­flieger bei Friedrich dem Großen per­sön­lich – und erhält den Posten!
In den fol­gen­den sechs Jahren resi­diert Diez als Kon­sul im Bran­den­bur­gis­chen Palais in Kon­stan­tinopel, dem heuti­gen Istan­bul. Er stürzt sich in die Arbeit, nutzt jede freie Minute, um sich inten­siv mit der osman­is­chen Kul­tur ver­traut zu machen und die türkische Sprache zu ler­nen, wie Diez-Ken­ner Rauch berichtet: „Jeden Abend bis tief in die Nacht hat er mit seinem türkischen Lehrer gel­ernt und sich mit ihm aus­ge­tauscht.“
Auch als Diplo­mat ist Diez über­raschend erfol­gre­ich. Nach zwei Jahren bere­its wird er 1786 von Friedrich Wil­helm II., dem Nach­fol­ger des ver­stor­be­nen „Alten Fritz“, in den Adels­stand erhoben.

Über­set­zung des „Buch des Kabus“
Allzu eigen­mächtige Ver­hand­lun­gen über die Inter­essen Preußens set­zen der Diplo­mat­en-Kar­riere aber 1790 ein abruptes Ende. Hein­rich Friedrich von Diez wird aus Kon­stan­tinopel abberufen und mit der Ernen­nung zum Prälat­en des Dom­s­tiftes zu Kol­berg abge­fun­den.
Tief gekränkt, aber mit ein­er üppi­gen Pen­sion ver­sorgt, beschließt er mit 40 Jahren, ein Leben als Pri­vat­gelehrter zu führen. 1806 muss Diez vor Napoleons Trup­pen aus Kol­berg fliehen und lässt sich mit sein­er riesi­gen Samm­lung ori­en­tal­is­ch­er Hand­schriften, Büch­er und Bild­nis­sen in Stralau bei Berlin nieder.
In sein­er Vil­la an der Spree erar­beit­et Diez die erste Über­set­zung des „Buch des Kabus“, eines der bedeu­tend­sten Werke der per­sis­chen Kul­tur aus dem 11. Jahrhun­dert. Die Veröf­fentlichung erregt enormes Auf­se­hen in der Gelehrten­welt; auch Johann Wolf­gang von Goethe ist begeis­tert und notiert: „Dieses Buch schien mir so bedeu­tend, dass ich ihm viel Zeit wid­mete.“ Nach­drück­lich fordert der Dichter­fürst Ver­leger und Zeitun­gen auf, dieses „vortr­e­f­fliche, ja unschätzbare Buch“ bekan­ntzu­machen.

Goethes Ori­ent-Experte
In reger Kor­re­spon­denz mit dem hoch geschätzten Ori­en­tal­is­ten wird das „Buch des Kabus“ zu Goethes uner­schöpflich­er Inspi­ra­tionsquelle für sein umfan­gre­ich­stes Werk, den „West-östlichen Divan“. Als seltenes Zeichen der Anerken­nung wid­met er Hein­rich Friedrich von Diez sog­ar ein per­sön­lich­es Gedicht. 1814 wird der Pri­vat­gelehrte als Ehren­mit­glied in die Preußis­che Akademie der Wis­senschaften aufgenom­men.
Bis wenige Wochen vor seinem Tod im April 1817 beant­wortet der fast erblind­ete Diez mit krake­liger Schrift die let­zten Fra­gen Goethes. Sein beachtlich­es Ver­mö­gen hin­ter­lässt der im Alter vom Frei­denker zum tiefgläu­bi­gen Chris­ten gewan­delte Gelehrte der Kirche. Seine immense Bib­lio­thek von mehr als 17.000 Büch­ern, Hand­schriften und Malereien stiftet Hein­rich Friedrich von Diez der Preußis­chen Staats­bib­lio­thek.“

(WDR, Mela­hat Sim­sek, Ronald Feisel)

Sie kön­nen die Sendung, die am 2.9.2021 in der Rei­he „ZeitZe­ichen“ lief, über die Seite des WDR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.