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SWR2 Wissen: „Batman – Ein moderner Heldenmythos“

Logo SWR2 bei Wikimedia CommonsBat­man, der Super­held mit der Fle­d­er­maus­maske, ist seit über 80 Jahren super­erfol­gre­ich. Wer ist er: Der edle Rit­ter, der für Gerechtigkeit kämpft oder ein gewalt­gieriger Freak?

In Konkur­renz mit Super­man: Bat­man als fin­ster­er Räch­er

In Zeit­en, die den Einzel­nen macht­los machen, wer­den Com­ic-Helden zu Idol­en. 1939, als die erste Bat­man-Sto­ry erscheint, begin­nt die große Zeit der Pulp-Comics. Auf ein­fachem, bil­li­gen Papi­er gedruckt waren Pulp-Comics neben dem Kino ein zweites Stand­bein der Pop­kul­tur. Der Com­ic-Markt war groß und umkämpft. Wer kon­nte mithal­ten mit Super­man, der ein Jahr früher, 1938, her­aus­gekom­men war? Die Bat­man-Erfind­er Bob Kane und Bill Fin­ger hat­ten da eine Idee. Ihr Held sollte ein fin­ster­er Räch­er sein, der Gang­ster jagt, weil ein Gang­ster einst seine Eltern ermordet hat.

Die erste Bat­man-Geschichte, die in Detec­tive Comics 27 erschienen ist, war ein Pla­giat des Shad­ow-Pulps „Part­ner of Per­ril“, darauf weist Lars Ban­hold hin, Lit­er­atur­wis­senschaftler und Autor von „Bat­man – Rekon­struk­tion eines Helden“. In der Pop­kul­tur ist das Klauen von Ideen allerd­ings kein Skan­dal. Immer gibt es ein Vor­bild. Und Bat­mans lit­er­arisches Vor­bild ist der Graf von Monte Chris­to.

Der Mil­lionärssohn Bruce Wayne alias Bat­man ver­liert seine Eltern und will Rache, der Graf von Monte Chris­to ver­liert seine Ehre und will eben­falls Rache. Bei­de mask­ieren sie sich, wer­den für ihre Rache ein ander­er. Und bei­de bedi­enen sich der Mit­tel ihrer Geg­n­er. Geld und Wis­sen macht sie zu Eben­bildern von Ver­brech­ern. Denn Wis­sen ist Macht. Das Wis­sen über das Böse dop­pelte Macht.

Pop­kul­tur spiegelt Wider­sprüche der Gesellschaft

Die Wider­sprüche der Gesellschaft – sie spiegeln sich in den Ober­flächen der Pop­kul­tur. Das schrieb der Schrift­steller und Com­ic-Fan Umber­to Eco in den 1960er-Jahren.

Mit dem 1986 erschiene­nen „The Dark Knight Returns“ nimmt der Com­ic-Autor Frank Miller den Super­helden auseinan­der, er de-kon­stru­iert ihn. Bat­man ist nun kein ein­samer Räch­er mehr, son­dern ein poli­tis­ch­er Gewalt-Akteur. Er ste­ht für eine soziale Ide­olo­gie, für eine Ord­nung, die auf Macht und Gewalt grün­det. Mit anderen Worten: Bat­man stellt in den 1980er Jahren die Frage nach der Gegen­wart des Faschis­mus. Im Com­ic und auf der Lein­wand.

1989 bringt Film­regis­seur Tim Bur­ton „Bat­man“ ins Kino. Pop-Ikone Prince steuert den Sound­track bei und Bat­mans-Kinoauftritt wird ein Riesen­er­folg. Der Hit an den Kinokassen prägt gle­ichzeit­ig das Bat­man-Bild bis heute. Als „Dark Knight“, als dun­klen Rit­ter insze­niert Tim Bur­ton seinen Bat­man. Und mit der Ästhetik der Angst wird Bat­man zugle­ich poli­tisch. Er wird der, der über den Aus­nah­mezu­s­tand entschei­det. Die soziale Ord­nung ist zer­stört und nur der dun­kle Rit­ter kann sie wieder ins Lot brin­gen. Das Fatale aber ist: Die unkon­trol­lierte Gewalt, die die soziale Ord­nung wieder­her­stellen soll, schafft selb­st Chaos. Der Aus­nah­mezu­s­tand wird zum Teufel­skreis.

Gotham City: Der Pin­guin und Max Shreck tun sich zusam­men

Es liegt Schnee in Gotham City und es ist kalt, vor allem zwis­chen den Men­schen. Wir erleben die Geburt eines zweit­en Bruce Wayne. Doch dieser andere Mil­lionärs-Sprössling ist ein kleines, dick­es, hässlich­es Kind, mit verkrüp­pel­ten Hän­den. Ein gewalt­tätiges Kind, das Katzen tot beißt und das an Heili­ga­bend von seinen Eltern aus­ge­set­zt wird. Sie wer­fen das Kind samt Kinder­wa­gen ein­fach in die Kanal­i­sa­tion. Jahre später, wieder an Wei­h­nacht­en, kehrt der ver­lorene Sohn zurück. In den Tiefen der nasskalten Kanal­i­sa­tion aufgewach­sen, heißt der aus­ge­set­zte Oswald Cob­ble­pot nun ein­fach „Der Pin­guin“.

Und „der Pinigu­in“ will Rache. Die priv­i­legierte Kind­heit, die er nicht hat­te, möchte er den Erst­ge­bore­nen von Gotham City nehmen. „Tod allen Erst­ge­bore­nen!“ ist sein teu­flis­ch­er Plan. Für ihn tut er sich zusam­men mit dem Schurken Num­mer Zwei. Max Shreck ist der Upper-Class-Bösewicht von Gotham City. Und auch er hat einen Plan für die Stadt: Ein Kraftwerk, das jedoch keine Energie gibt, son­dern diese absaugt. So wie die Kon­sumwel­ten des Shreck-Imperi­ums das Leben der Bürg­er von Gotham auf­saugen.

Cat­woman und der alte weiße Mann Max Shreck

Und dann ist da noch Seli­na Kyle. Schüchtern und kon­fus tritt sie auf als Sekretärin von Max Shreck, der sie ein­fach aus dem Fen­ster seines Büro­turms stößt, als sie seine Energie-Absauge-Pläne ent­deckt. Doch die tote Sekretärin kehrt als quick­lebendi­ge Rächerin zurück, als Cat­woman. Wenn Bat­man eine männliche Macht­fan­tasie ist, ist Cat­woman eine weib­liche Ermäch­ti­gungs­fan­tasie. Im haut­en­gen Lack- und Led­er-Out­fit bestraft sie die Män­ner, die Frauen schlecht behan­deln. Und sie nimmt Rache an Max Shreck, dem Parade­beispiel des alten weißen Mannes, der Frauen ein­fach aus dem Fen­ster wer­fen kann.

Eine Gesellschaft, die keine Utopi­en mehr ken­nt

Tim Bur­ton insze­niert 1992 seinen zweit­en Bat­man-Fim „Bat­mans Rück­kehr“ als eine Alb­traumwelt, die dem Stumm­film der Weimar­er Zeit entsprun­gen zu sein scheint, wie in „Metrop­o­lis“ oder „Nos­fer­atu“. Und über­all in Gotham City ste­hen mon­u­men­tale Stat­uen. Eine faschis­tis­che Ästhetik wie die, die auf die Weimar­er Zeit fol­gen sollte. Alte Mythen wie das Moses-Motiv des Wei­denko­rbs und des aus­ge­set­zen Kindes, Kino-Iko­nen der 1920er Jahre, Kinder­spielzeug und arche­typ­is­che Traum­bilder – der zweite Bur­ton-Bat­man ist eine Reflex­ion über das post­mod­erne Ich. „Trust, Trust, Trust, Mon­ey, Mon­ey, Mon­ey“ ruft der Jok­er. Aber ist das schon das ganze Geheim­nis von Bat­man? Der Fle­d­er­mausheld als per­fek­tes Spiegel­bild für die kon­sum­ier­baren Macht­fan­tasien des post­mod­er­nen Ichs, das sich stets selb­st opti­mieren muss?

Pro­gres­sive poli­tis­che Antworten hat Bat­man nicht. Aber er zeigt uns die dun­klen Abgründe ein­er Welt voller Gegen­sätze, die Abgründe ein­er Gesellschaft, die diese Gegen­sätze nicht inte­gri­ert, die keine Utopi­en mehr ken­nt.

Sie kön­nen die Sendung, die am 23.1.2020 in der Rei­he „SWR2 Wis­sen“ lief, über die Seite des SWR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.
Es gibt auch ein Manuskript zur Sendung.

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