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SWR2 Wissen: „Lebendiges Jiddisch – Porträt einer Sprache“

Logo SWR2 bei Wikimedia Commons„Jid­disch lebt – hat es hierzu­lande aber auch schw­er. Denn das Deutsche ist dem Jid­dis­chen sehr ähn­lich und daher eine starke Konkur­renz.

Deutsche Dialek­te als Basis, dazu hebräis­che und roman­is­che Lehn­wörter
Das Jid­dis­che formierte sich im Mit­te­lal­ter auf der Basis deutsch­er Dialek­te, ver­wen­dete aber auch hebräis­che und roman­is­che Lehn­wörter. Später kamen osteu­ropäis­che Begriffe hinzu, denn auf­grund von Pogromen zogen viele Juden immer weit­er nach Osten. So ent­stand das Ostjid­dis­che, das vor der Shoah die drittgrößte ger­man­is­che Sprache in Europa war. Ostjid­disch wird auch heute noch gesprochen, es wird gesun­gen, und man kann es an der Uni­ver­sität Tri­er ler­nen.

Jid­dis­tik – Wis­senschaft von der jid­dis­chen Sprache und Lit­er­atur
Seit dem 19. Jahrhun­dert entwick­elte sich die jid­dis­che Lit­er­atur rasch und erre­ichte mit Itzhok Lejb Perez, Scholem Ale­jchem und Mendele Moich­er Sforim einen ersten Höhep­unkt. „Die drei Klas­sik­er“ wer­den sie genan­nt. Im 20. Jahrhun­dert gab es dann sog­ar einen Lit­er­aturnobel­preis: 1978 für den jid­dis­chen Autor Isaac Bashe­vis Singer.
Eine fürs Jid­dis­che beson­ders wichti­gen Stadt ist Czer­nowitz. 1908 fand hier die „Kon­ferenz für die jüdis­che Sprache“ statt, an der namhafte Philolo­gen teil­nah­men. Mit der Kon­ferenz begann die wis­senschaftliche Beschäf­ti­gung, die Jid­dis­tik.
In jenen Jahren wur­den auch wichtige jüdis­che Autoren in Czer­nowitz geboren: Itzik Manger etwa, Rose Aus­län­der, später auch Paul Celan und Aharon Appelfeld.
1925 wurde das YIVO gegrün­det, das „Yidish­er visnshaftlekher insti­tut“. Zunächst hat­te es seinen Sitz im damals pol­nis­chen Vil­nius. Vil­nius wurde damals das „Jerusalem des Nor­dens“ genan­nt. Auf­grund sein­er reichen jüdis­chen Kul­tur. Das wusste auch der Nation­al­sozial­ist Alfred Rosen­berg, seines Zeichens „Reichsmin­is­ter für die beset­zten Ost­ge­bi­ete“. Seine Auf­gabe war es, den europäis­chen Osten zu plün­dern, auch die Bib­lio­thek des YIVO. Kun­st- und Buchraub im großen Stil. Dafür brauchte er Fach­leute, die die Büch­er sichteten. Jid­dis­chsprech­er, teils bekan­nte Autoren, die er zur Mitar­beit zwang. Was für wertvoll erachtet wurde, wurde mitgenom­men. Der Rest wurde ver­nichtet.
Nach dem Über­fall der deutschen Wehrma­cht auf Polen und der geziel­ten Plün­derung durch nation­al­sozial­is­tis­che Kun­sträu­ber wurde das YIVO 1940 nach New York ver­legt. Dort existiert es noch heute und gilt mit sein­er enor­men Bib­lio­thek als zen­trale Forschungsstelle für die jid­dis­che Sprache. Doch die umfan­gre­iche Samm­lung darf nicht darüber hin­wegtäuschen, dass während der Shoah jüdis­che Kul­turgüter gezielt ger­aubt oder zer­stört wur­den.

Jid­disch oder Hebräisch – Was soll 1948 Amtssprache in Israel wer­den?
1948 wurde der Staat Israel gegrün­det. Durch die starke Zuwan­derung aus Europa in den 1930er- und 1940er-Jahren stellte sich die Frage nach der Nation­al­sprache: Sollte es ein aus der Schriftlichkeit wieder in die Mündlichkeit belebtes Hebräisch wer­den? Oder ein­fach das Jid­disch, das die aller­meis­ten Zuwan­der­er ohne­hin sprachen?“
Der sich formierende Staat Israel betrieb Sprach­poli­tik und förderte das Hebräis­che. So wurde Hebräisch Staatssprache und Jid­disch nur noch aktiv weit­ergegeben unter den chas­sidis­chen Juden, die heute vor allem in Israel und in den USA leben.
(SWR, Katha­ri­na Bor­chardt, Can­dy Sauer)

Sie kön­nen die Sendung, die am 3.12.2021 in der Rei­he „SWR2 Wis­sen“ lief, über die Seite des SWR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden. Es gibt auch ein Manuskript zur Sendung.

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