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Podcasts zu Marcel Proust

SWR2 Wissen: „Marcel Proust – Meister der literarischen Moderne“

Logo SWR2 bei Wikimedia Commons„In seinem Romanzyk­lus „Auf der Suche nach der ver­lore­nen Zeit“ nimmt Mar­cel Proust (1871 — 1922) uns mit auf eine Reise des Sich-Erin­nerns. Ihn zu lesen heißt, langsam zu wer­den, genau hinzuse­hen und zu beobacht­en. Spoil­er: Im let­zten Band find­et der Autor die ver­lorene Zeit sog­ar wieder.
„Lange Zeit bin ich früh schlafen gegan­gen. Manch­mal, die Kerze war kaum gelöscht, fie­len mir die Augen so rasch zu, dass keine Zeit blieb, mir zu sagen: Ich schlafe ein …“ (Mar­cel Proust: „Auf der Suche nach der ver­lore­nen Zeit“, 1913)
So begin­nt das berühmte Werk „Auf der Suche nach der ver­lore­nen Zeit“ von Mar­cel Proust, dem franzö­sis­chen Schrift­steller, der am 18. Novem­ber 1922 starb. Im Zen­trum ste­ht der Erzäh­ler Mar­cel, der im Lauf des Romans erwach­sen wird, seine Homo­sex­u­al­ität ent­deckt, unglück­lich liebt und seine Zeit in Salons ver­bringt. Der Zyk­lus han­delt von Gefühlen, Erin­nerun­gen und Wahrnehmungen, Lit­er­atur, Kun­st und Musik, von Architek­tur, Psy­cholo­gie, Philoso­phie und vielem mehr – ein rund 4.000-seitiges, kaum auszumessendes Werk in sieben Bän­den.

À la recherche du temps per­du: von der ver­lore­nen zur wiederge­fun­de­nen Zeit
Der let­zte Band des Werkes heißt jedoch „Die wiederge­fun­dene Zeit“. Es ist die Zeit, in der die Haupt­fig­ur Mar­cel zu sich selb­st kommt. Er wird darin zum Schrift­steller und ahnt, dass Kun­st ein Wider­stand gegen die Ver­w­er­fun­gen des Lebens und gegen den Tod sein kann:
„Kön­nte nicht die Kun­st uns in die Wirk­lichkeit und ins Leben hinein gelan­gen lassen, indem sie gegen das alltägliche Wirken des Todes ange­ht?“ (Mar­cel Proust)
Proust bejaht diese Frage. Und seine Texte zu lesen heißt, langsam zu wer­den, genau hinzuse­hen, Dinge von ver­schiede­nen Seit­en zu betra­cht­en – ger­ade in ein­er Zeit, in der sich Mel­dun­gen und Mei­n­un­gen über­schla­gen.

Prousts Mut­ter ist seine wichtig­ste Bezugsper­son
Mar­cel Proust wird am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren, einem Vorort von Paris. Sein Vater ist ein auf­streben­der Arzt aus dem Klein­bürg­er­tum, die Mut­ter stammt aus ein­er reichen jüdis­chen Bankiers­fam­i­lie. Die gebildete, bele­sene Frau ist Prousts wichtig­ste Bezugsper­son. Auch als er erwach­sen ist, begleit­et sie ihn auf Reisen. In der „Suche nach der ver­lore­nen Zeit“ errichtet er ihr mit der Fig­ur der Groß­mut­ter ein Denkmal: „Ich träume von ihr, sobald ich schlafe, und da ich nicht am Stück schlafe, träume ich mehrmals am Tag von ihr.“ (Mar­cel Proust)
Der Junge wächst in ein­er bewegten Zeit auf, in der der Adel gegenüber dem Bürg­er­tum Macht und Ein­fluss ver­liert. Der Deutsch-Franzö­sis­che Krieg war ger­ade vorüber und in Paris gibt es Arbeit­er­auf­stände durch die „Com­mune de Paris“.

Der Dandy Mar­cel Proust lebt vom Ver­mö­gen sein­er Eltern
Nach Abitur und Wehr­di­enst studiert Proust Jura und Philoso­phie und veröf­fentlicht erste kleine Texte in Zeitschriften. Sein Vater möchte ihn als Anwalt sehen. Doch er pocht auf eine ästhetis­che Exis­tenz als freier Autor und set­zt sich durch. Jeden Monat erhält er einen üppi­gen Betrag von den Eltern, mit dem er den­noch nicht immer auskommt – ein hoch intel­li­gen­ter, wort­ge­wandter, manch­mal etwas hochmütiger Dandy.

In der Drey­fus-Affäre ergreift Proust Partei für den jüdis­chen Haupt­mann
1894 und auf Jahre darüber hin­aus erschüt­tert Frankre­ich ein Jus­tizskan­dal, die soge­nan­nte Drey­fus-Affäre um den Artillerie-Haupt­mann Alfred Drey­fus – ein jüdis­ch­er Haupt­mann, der Spi­onage für Deutsch­land verdächtigt. Prousts Mut­ter ist Jüdin, von klein auf ist er von jüdis­chen Ver­wandten und Bekan­nten umgeben, die ihn intellek­tuell prä­gen – Proust nimmt Partei für den Haupt­mann und fordert dessen Freilas­sung.
Im sel­ben Jahr, 1894, begin­nt seine Liebes­beziehung mit dem Kom­pon­is­ten Rey­nal­do Hahn.

Homo­sex­u­al­ität angedeutet: Mar­cel Proust duel­liert sich mit Jean Lor­rain
Öffentlich geste­ht Proust seine Homo­sex­u­al­ität nie ein. Als ein offen homo­sex­uell leben­der Lit­er­aturkri­tik­er andeutet, dass wohl auch Proust diese Nei­gung habe, fordert er ihn zum Duell. Ein sym­bol­is­ch­er Akt, bei­de schießen in die Luft und lassen die Sache auf sich beruhen.
1903 stirbt Prousts Vater, 1905 die geliebte Mut­ter. Ihr Tod stürzt ihn in eine tiefe Krise. Proust lebt mit 34 Jahren vom ererbten Ver­mö­gen, in Euro umgerech­net ist er Mil­lionär. 1906 bezieht er seine erste eigene Woh­nung, sechs Zim­mer am Paris­er Boule­vard Hauss­mann 102. Hier begin­nt er, vielle­icht auch befre­it durch den Tod der über­mächti­gen Mut­ter, seinen Jahrhun­dertro­man.

Proust schreibt nachts in einem schal­lisolierten Schlafz­im­mer
Das Schlafz­im­mer, das zum Schreibz­im­mer wird, lässt Proust mit Kork­plat­ten gegen Lärm isolieren. Die Vorhänge sind meist zuge­zo­gen. Proust schläft tagsüber und schreibt nachts, im Bett liegend, umgeben von Manuskripten und Büch­ern. Die Paris­er Salons haben ihre Fasz­i­na­tion ver­loren.

Madeleine-Gebäck weckt Kind­heit­serin­nerun­gen
Proust entwirft mit der „Suche nach der ver­lore­nen Zeit“ einen riesi­gen Kos­mos, in dessen Zen­trum die The­men Zeit und Erin­nerung ste­hen. Aus­gangspunkt ist die berühmte „Madeleine-Szene“ im ersten Band – von hier geht es in die Tiefen der Erin­nerung und hin­aus in die Welt. Mar­cel trinkt Tee und isst eine Madeleine, ein franzö­sis­ches Gebäck. Denn der Geschmack erin­nert ihn daran, wie er als Kind Tee mit Madeleine-Stückchen getrunk­en hat – und löst eine Kaskade von Erin­nerun­gen aus.

Roman soll Zeit erleb­bar machen
Die „unwillkür­liche Erin­nerung“, wie Proust sie nen­nt, wird zum Motor der „Suche nach der ver­lore­nen Zeit“. Es sind eupho­risierende Momente, in denen die Zeit aufge­hoben ist. Doch das bedeutet für Prousts Schreib­stil seit­en­lange ver­schlun­gene Sätze, die man zwei oder dreimal lesen muss, um sie ganz zu ver­ste­hen.
Die Druck­fah­nen des drit­ten und vierten Ban­des ver­sieht Proust mit immer neuen Erweiterun­gen, kritzelt auf Zettel, die seine Haushäl­terin Celeste Albaret ord­net. Jahre später schreibt sie ein Buch über ihre Zeit mit Proust mit dem Titel „Mon­sieur Proust“, welch­es auch auf Deutsch über­set­zt ist.
Noch in der Todesnacht, am 18. Novem­ber 1922, arbeit­et er an seinem Text. Mar­cel Proust stirbt um halb fünf Uhr mor­gens an ein­er Lun­genentzün­dung und wird auf dem Paris­er Fried­hof Père Lachaise beerdigt. Zwis­chen 1923 und 1927 erscheinen auch der fün­fte, sech­ste und siebte Band seines Romans aus dem Nach­lass.“
(SWR, Matthias Kuß­mann)

Sie kön­nen die Sendung, die am 18.11.2022 in der Rei­he „SWR2 Wis­sen“ lief, über die Seite des SWR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden. Es gibt auch ein Manuskript zur Sendung.

WDR ZeitZeichen zu Marcel Proust

Logo WDR bei Wikimedia Commons„Proust war „Auf der Suche nach der ver­lore­nen Zeit“, so der Titel seines sieben­bändi­gen Hauptwerks. Mit ihm gelangte ein Gebäck­stück, die Madeleine, zu unsterblichem Ruhm.
Es ist ein Mon­u­men­tal­w­erk, das der franzö­sis­che Autor Mar­cel Proust hin­ter­lassen hat: Mehrere Tausend Seit­en verteilt auf sieben Einzel­bände, das ist „Auf der Suche nach der ver­lore­nen Zeit“. Wenige Seit­en daraus haben es zu fast schon klis­chee­hafter Berühmtheit gebracht: Aus­giebigst lotet der Ich-Erzäh­ler aus, welch­es Feuer­w­erk der Erin­nerung ein in Tee getunk­tes Gebäck­stück aus­löst. Die Madeleine wurde zum Inbe­griff der Erfahrung, dass Dinglich­es und Sinnlich­es die Tür zur Ver­gan­gen­heit schla­gar­tig aufreißen kön­nen. Das kom­plette Jahrhun­der­twerk beschäftigt seit seinem Erscheinen zwis­chen 1913 und 1927 mit sein­er Vielschichtigkeit ganze Gen­er­a­tio­nen von Lesenden und Forschen­den.

Die großbürg­er­liche Herkun­ft
Prousts „Recherche“, wie sein Hauptwerk in Anknüp­fung an den Orig­inalti­tel „Á la recherche du temps per­du“ auch kurz genan­nt wird, spielt in der gehobe­nen Gesellschaft, der er selb­st entstammt: Am 10. Juli 1871 wird er in Paris geboren. Sein katholis­ch­er Vater ist Arzt, seine jüdis­che Mut­ter kommt aus ein­er Bankiers­fam­i­lie. Marcels Kind­heits- und Jugen­derin­nerun­gen bilden die Grund­lage seines Roman­werks. Dazu gehören Ferien­aufen­thalte auf dem Land bei Paris oder in See­bädern der Nor­mandie.

Prousts Homo­sex­u­al­ität
Homo­sex­u­al­ität und Juden­tum spie­len bei Proust eine große Rolle. Offen schwul lebt Proust nicht, wegen ein­er Anspielung auf seine Homo­sex­u­al­ität duel­liert er sich sog­ar. In seinen Chauf­feur Alfred Agostinel­li ist Proust wohl ver­liebt. Der Mechaniker zieht mit sein­er Ver­lobten sog­ar zu Proust und wird zum Sekretär des Dichters.

Die let­zten Leben­s­jahre mit Céleste
Als Agostinel­li 1914 durch einen Flugzeu­gab­sturz stirbt, fällt Proust in eine tiefe Depres­sion. In dieser Krise wird die Haushäl­terin Céleste Albaret zur eng­sten Ver­traut­en und Mitar­bei­t­erin: Fast neun Jahre lang ist sie an sein­er Seite, bere­it für Han­dre­ichun­gen, Botengänge, Hil­fe jed­wed­er Art.
Prousts Leben­szeit endet am 18. Novem­ber 1922 in Paris, er stirbt im Alter von nur 51 Jahren. Sein Roman­mon­u­ment endet mit der Erken­nt­nis, „dass das Kunst­werk das einzige Mit­tel ist, die ver­lorene Zeit wiederzufind­en.““
(WDR, Sabine Mann, David Rother)

Sie kön­nen die Sendung, die am 18.11.2022 in der Rei­he „ZeitZe­ichen“ lief, über die Seite des WDR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.

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