Permalink

0

WDR ZeitZeichen zu Victor Klemperer

Logo WDR bei Wikimedia Commons„Seine All­t­agschronik der Nazi-Zeit zeigt, wie viel die Deutschen gewusst haben müssen. Der Holo­caust-Über­lebende Vic­tor Klem­per­er hat den Schreck­en Tag für Tag doku­men­tiert.
„Es kommt nicht auf die großen Sachen an, son­dern auf den All­t­ag der Tyran­nei, der vergessen wird.“
So lautet am 8. April 1944 der Tage­buchein­trag von Vic­tor Klem­per­er. „Tausend Mück­en­stiche sind schlim­mer als ein Schlag auf den Kopf. Ich beobachte, notiere die Mück­en­stiche.“
Der jüdis­che Roman­ist doku­men­tiert aus der Per­spek­tive eines Ver­fol­gten den All­t­ag im Nation­al­sozial­is­mus. Schon kurz nach der Machtüber­nahme von Adolf Hitler ist für Klem­per­er klar: „Alles, was ich für undeutsch gehal­ten habe, Bru­tal­ität, Ungerechtigkeit, Heuchelei, Massen­sug­ges­tion bis zur Besof­fen­heit, alles das flo­ri­ert hier.“

Mit Deutsch­land iden­ti­fiziert
Klem­per­er ist der Pro­to­typ des gebilde­ten assim­i­lierten Juden, der sich mit Deutsch­land iden­ti­fiziert. Geboren wird er am 9. Okto­ber 1881 in Lands­berg an der Warthe. Sein Vater ist dort Rab­bin­er. Vic­tor ist das jüng­ste von neun Kindern. Die Fam­i­lie ist der Mod­erne gegenüber aufgeschlossen, der Vater wird an die jüdis­che Refor­mge­meinde Berlin berufen.
Klem­per­er, der zum Protes­tantismus über­tritt, studiert Philoso­phie, Roman­is­tik und Ger­man­is­tik. Im Ersten Weltkrieg kämpft er als Frei­williger an der West­front. 1920 wird er Pro­fes­sor für Roman­is­tik an der Tech­nis­chen Hochschule Dres­den. Als Klem­per­er von den Nation­al­sozial­is­ten seines Amtes enthoben wird, bleibt er in Deutsch­land – trotz zunehmender Repres­salien.

Bombe­nan­griff als Ret­tung
Er wird aus seinem Haus ver­trieben, muss in ein „Juden­haus“ umziehen und wird zur Zwangsar­beit verurteilt. Obwohl es lebens­ge­fährlich ist, führt er weit­er­hin Tage­buch. Er darf wed­er Papi­er noch Schreibzeug besitzen. Fünf let­zte Bleis­tifte ver­steckt er an fünf Orten. Seine Frau Eva schmuggelt die Papiere zu Fre­un­den, die sie ver­wahren.
Als am 13. Feb­ru­ar 1945 Bomben auf Dres­den fall­en, ist das die Ret­tung für Klem­per­er und seine Frau. Sie kön­nen vor der dro­hen­den Depor­ta­tion fliehen und sich in Bay­ern ver­steck­en. Nach dem Ende des Zweit­en Weltkrieges kehren die bei­den zurück nach Dres­den. Klem­per­er begin­nt, wieder zu lehren. In der DDR wird er SED-Mit­glied und Abge­ord­neter der Volk­skam­mer.

„Zeug­nis able­gen“
Vic­tor Klem­per­er stirbt am 11. Feb­ru­ar 1960 in Dres­den. Seine Tage­büch­er der Nazi-Zeit erscheinen posthum 1995 unter dem Titel „ich will Zeug­nis able­gen bis zum let­zten“.
Der 2012 ver­stor­bene Her­aus­ge­ber Wal­ter Nowo­js­ki ist sich sich­er: „Der Satz, der noch nie stimmte, ‚wir haben alle nichts gewusst‘, ist seit der Veröf­fentlichung der Tage­büch­er Vic­tor Klem­per­ers über­haupt nicht mehr möglich.““

(WDR, Almut Finck, Gesa Rünker)

Sie kön­nen die Sendung, die am 9.10.2021 in der Rei­he „ZeitZe­ichen“ lief, über die Seite des WDR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.