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Open-Access-Bücher zur germanistischen Sprachwissenschaft

In der let­zten Zeit sind u.a. diese frei ver­füg­baren Titel erschienen:

Die Entwicklung des Definitartikels im Althochdeutschen: Eine kognitiv-linguistische Korpusuntersuchung

Johan­na Flick
https://langsci-press.org/catalog/book/230 & https://doi.org/10.5281/zenodo.3932780

Wie in vie­len anderen Sprachen der Welt hat sich auch im Deutschen der Defini­tar­tikel aus einem adnom­i­nal gebraucht­en Demon­stra­tivum her­aus­ge­bildet. In der vor­liegen­den Arbeit wird dieser funk­tionale Wan­del, der sich vornehm­lich in der althochdeutschen Sprach­pe­ri­ode (750‑1050 n. Chr.) abspielte, erst­mals com­put­ergestützt und mit kor­puslin­guis­tis­chen Meth­o­d­en anhand der fünf größten ahd. Textdenkmäler aus dem Ref­eren­zko­r­pus Alt­deutsch rekon­stru­iert. Dabei wird die Entwick­lung des Defini­tar­tikels als Kon­struk­tion­al­isierung der Struk­tur [dër + N] begrif­f­en: Das ursprüngliche Demon­stra­tivum dër ver­liert seine zeigende Bedeu­tung und erschließt neue Gebrauch­skon­texte, in denen die ein­deutige Iden­ti­fizier­barkeit des Ref­er­enten auch unab­hängig von der Gesprächssi­t­u­a­tion gewährleis­tet ist. In der Arbeit wird gezeigt, dass diese Kon­tex­tex­pan­sion maßge­blich von der kog­ni­tiv-lin­guis­tis­chen Kat­e­gorie Belebtheit bee­in­flusst wird.


Gender_Vielfalt_Sexualität(en) im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache

Ani­ka Freese & Oliv­er Niels Völkel (Hrsg.)
https://www.iudicium.de/katalog/86205–737.htm

Obwohl Geschlecht als zen­trale Kat­e­gorie bipo­lar­er sozialer Dif­feren­zlin­ien gilt, stand es bish­er nur wenig im Fokus der Forschung und Lehre des Deutschen als Fremd- und Zweit­sprache. Vor welchen Her­aus­forderun­gen ste­hen Lehrkräfte, Forschende und Ler­nende in diesem Zusam­men­hang? Welche Impulse und Verän­derun­gen sind nötig, um zu bewusstem gen­der­sen­si­blen und gen­derg­erecht­en (Sprach-)Handeln in der Zweit- und Fremd­sprache Deutsch zu befähi­gen? Die Antworten auf diese Fra­gen sind eben­so vielfältig wie offen für indi­vidu­elle Lösun­gen – was sich mit den Leer­stellen im Titel Gender_Vielfalt_Sexualität(en) auch im Namen des Ban­des wider­spiegelt: Gen­der entzieht sich ein­er ein­fachen Bedeu­tungszuweisung und muss stets im Kon­text sein­er inhärenten Vielfalt, Kom­plex­ität und vor allem Unabgeschlossen­heit gedacht wer­den.

Die Beiträge des Ban­des näh­ern sich dem The­menkom­plex Gen­der aus sprach- und kul­tur­wis­senschaftlichen, aus sprach‑, lit­er­atur- und kul­tur­di­dak­tis­chen wie aus schulpäd­a­gogis­chen Per­spek­tiv­en. Sie reichen von Über­legun­gen zu (sprach­lichen) Repräsen­ta­tio­nen von Geschlecht sowie den daraus resul­tieren­den Imp­lika­tio­nen und Hand­lungsmöglichkeit­en in ver­schiede­nen insti­tu­tionellen Bil­dungskon­tex­ten bis zu Meth­o­d­en wie dem Queer­ing oder auch lit­er­arischen Annäherun­gen und Vorschlä­gen zur Ent­drama­tisierung von Geschlecht. Weit­er find­en sich Auseinan­der­set­zun­gen mit mul­ti­modalen Medi­en wie dem Bilder­buch, die mit möglichen Analy­se­in­stru­menten zum Aufdeck­en von (inter­sek­tionalen) Diskri­m­inierungskat­e­gorien ver­bun­den sind.

Pflegerische und ärztliche Interaktionen mit PatientInnen und Angehörigen auf der Palliativstation: Eine vergleichende gesprächsanalytische Untersuchung

Isabel­la Buck
https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:101:1–2022042009334359400880

In der Pal­lia­tivmedi­zin, die sich an Men­schen mit unheil­baren, bere­its weit fort­geschrit­te­nen Krankheit­en richtet, hat gelun­gene Kom­mu­nika­tion zwis­chen den pro­fes­sionellen AkteurIn­nen und den Pati­entIn­nen bzw. Ange­höri­gen auf­grund des pal­lia­tiv­en Anspruchs, Pati­entIn­nen in der End­phase ihres Lebens die größt­mögliche Leben­squal­ität zu bieten, einen so zen­tralen Stel­len­wert wie in kaum ein­er anderen medi­zinis­chen Sub­diszi­plin. ÄrztIn­nen und Pflegekräfte, die das Kern­team von Pal­lia­tivs­ta­tio­nen bilden und von allen AkteurIn­nen des inter­pro­fes­sionellen Sta­tion­steams den meis­ten Kon­takt zu den Pati­entIn­nen und Ange­höri­gen haben, sehen sich daher mit ein­er beson­deren ethis­chen Ver­ant­wor­tung kon­fron­tiert.

In der Philoso­phie der Pal­lia­tive Care ist hin­sichtlich der inter­pro­fes­sionellen Zusam­me­nar­beit von ÄrztIn­nen und Pflegekräften dezi­diert die Maxime ver­ankert, deren Arbeit als gle­ich wichtig und deren Zusam­me­nar­beit als egal­itär und somit hier­ar­chiefrei anzuse­hen. Trotz dieses Ideals sind aber auch die auf der Pal­lia­tivs­ta­tion täti­gen Pflegekräfte und ÄrztIn­nen an die Vor­gaben hin­sichtlich des Zuständigkeits- und Ver­ant­wor­tungs­bere­ichs ihrer jew­eili­gen Beruf­s­gruppe sowie an die damit ver­bun­de­nen Rechte und Pflicht­en gebun­den. Vor diesem Hin­ter­grund gilt das Erken­nt­nis­in­ter­esse der Studie der Frage, welche Gemein­samkeit­en und Unter­schiede sich im pflegerischen und ärztlichen Sprechen mit Pati­entIn­nen und deren Ange­höri­gen auf der Pal­lia­tivs­ta­tion zeigen und wie sich die insti­tu­tionellen Rol­len­vor­gaben der bei­den Pro­fes­sio­nen in deren jew­eiligem Inter­ak­tionsver­hal­ten man­i­festieren.

Für den Ver­gle­ich der ver­schiede­nen kom­mu­nika­tiv­en Prak­tiken von Pflegekräften und ÄrztIn­nen wer­den die drei Gespräch­s­the­men herange­zo­gen, die sowohl in den Inter­ak­tio­nen zwis­chen Pfle­gen­den und PatientInnen/Angehörigen als auch in den Inter­ak­tio­nen zwis­chen ÄrztIn­nen und PatientInnen/Angehörigen am häu­fig­sten rel­e­vant geset­zt wer­den. Es han­delt sich hier um die The­men ‚Schmerzen‘, ‚Medika­mente‘ und ‚psy­chosozial-affek­tives Krankheit­ser­leben‘. Neben dem primären Analy­sevorhaben, einen Ver­gle­ich zwis­chen pflegerischem und ärztlichem Sprechen mit Pal­lia­tiv­pa­ti­entIn­nen und deren Ange­höri­gen durchzuführen, fokussiert die Studie sekundär auch einen weit­eren Aspekt: das Sprechen über Ster­ben und Tod.

Angesichts der Tat­sache, dass es sich bei der Arbeit um die erste bre­it angelegte, deutschsprachige, gespräch­s­an­a­lytis­che Unter­suchung han­delt, die Inter­ak­tio­nen auf der Pal­lia­tivs­ta­tion zum Gegen­stand hat, bleibt diese für den Pal­lia­tivbere­ich zen­trale The­matik nicht unberück­sichtigt. Allerd­ings ist hier­bei kein Ver­gle­ich zwis­chen pflegerischem und ärztlichem Sprechen möglich, da Ster­ben und Tod, abge­se­hen von einem Beleg aus ein­er Inter­ak­tion zwis­chen ein­er Pflegerin und einem Patien­ten, lediglich in ÄrztIn-Pati­entIn/Ange­höri­gen-Gesprächen inter­ak­tiv rel­e­vant geset­zt und bear­beit­et wird.

Ins­ge­samt kann empirische Evi­denz dafür erbracht wer­den, dass die insti­tu­tionellen Vor­gaben bzgl. der berufs­be­d­ingten Rechte und Pflicht­en der bei­den Akteurs­grup­pen ‚Pflegekräfte‘ und ‚ÄrztIn­nen‘ im sozialen Feld ‚Pal­lia­tivs­ta­tion‘ ihre Spuren in den Prak­tiken hin­ter­lassen, die Bestandteil des kom­mu­nika­tiv­en Haushalts der jew­eili­gen Beruf­s­gruppe sind. Dementsprechend ist die Verteilung der kom­mu­nika­tiv­en Ressourcen insofern eng mit den jew­eili­gen sozialen Ver­hält­nis­sen ver­woben, als die Zuge­hörigkeit zu ein­er der bei­den Beruf­s­grup­pen einen Ein­fluss auf das kom­mu­nika­tive Reper­toire einzel­ner Mit­glieder, d. h. – mit Bour­dieu gesprochen – auf deren Habi­tus hat. Ihre Typik haben die kom­mu­nika­tiv­en Prak­tiken dabei durch Rekur­renz erwor­ben, wobei sie sich in situ stets in einem dialek­tis­chen Span­nungs­feld aus lokaler Emer­genz ein­er­seits und Rou­tin­isierung ander­er­seits bewe­gen. Die getren­nten Ver­ant­wortlichkeits- und Zuständigkeits­bere­iche von PflegerIn­nen und ÄrztIn­nen wer­den fol­glich nicht nur beständig aktu­al­isiert, son­dern auch fort­laufend neu her­vorge­bracht.

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