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WDR-ZeitZeichen zu Elfride Jelinek

Logo WDR bei Wikimedia Commons„Elfriede Jelinek ist eine kom­pro­miss­lose Schrift­stel­lerin, die zeit ihres Lebens provoziert und polar­isiert. Sie ern­tet viel Kri­tik, aber auch Anerken­nung — etwa in Form des Lit­er­aturnobel­preis­es. Am 20. Okto­ber 2021 wird die Öster­re­icherin 75 Jahre alt.
Hein­rich-Böll-Preis, Georg-Büch­n­er-Preis, The­ater­preis Berlin, sog­ar den Lit­er­aturnobel­preis — Elfriede Jelinek räumt mit ihren Roma­nen, The­ater­stück­en, Gedicht­en, Hör­spie­len, Essays und Drehbüch­ern alles ab. Doch unum­strit­ten ist die öster­re­ichis­che Schrift­stel­lerin nicht. Im Gegen­teil: Sie legt den Fin­ger tief in die Wun­den, zeigt Missstände auf, die oft nie­mand sehen oder hören möchte.
Ihre Kri­tik­er wer­fen Jelinek dabei Sarkas­mus, eine ger­adezu vul­gäre Sprache und Aggres­siv­ität vor. Nicht ganz zu Unrecht, denn sie selb­st sagt: „Ich schlage mit der Axt drein“. Vor allem in den 80er- und 90er-Jahren gibt es Auseinan­der­set­zun­gen mit der Poli­tik, den Medi­en und der Kirche.

Von der Mut­ter gedrillt
Dass sie aggres­sive Lit­er­atur schreibe, so Jelinek, liege auch an der Aggres­sion in ihrer Fam­i­lie, die sie als All­t­ag und nicht als Aus­nahme erlebte. Am 20. Okto­ber 1946 in Mürz­zuschlag in der Steier­mark geboren, wird sie von ihrer Mut­ter früh auf Leis­tung in der Kun­st gedrillt. Sie erhält bere­its mit vier Jahren Bal­lett- und Franzö­sis­chunter­richt, studiert mit 14 Klavier und Kom­po­si­tion am Wiener Kon­ser­va­to­ri­um.
Trotz guter Abschlüsse wählt Jelinek nicht die für sie vorge­se­hene Kar­riere als Musik­erin. Sie habe zu schreiben begonnen, um der Bevor­mundung der Mut­ter zu entkom­men, erk­lärt Jelinek, die im Ver­lauf der 68er-Revolte radikalere Töne anschlägt.
Mit ihrem Roman „Die Lieb­haberin­nen“ schafft sie 1975 den Durch­bruch. Es ist nur eines von vie­len Werken, in dem sich die oft als „Män­ner­has­serin“ ver­schriene Jelinek mit patri­ar­chalen Macht­struk­turen befasst. Auch ihr früh­es Buch „Lust“ spießt die Män­ner- und Klas­sen­ge­sellschaft auf und prangert die sex­uelle Unter­drück­ung der Frau an. Ihr – später ver­filmter – Roman „Die Klavier­spielerin“ rebel­liert gegen struk­turelle Gewalt im Pri­vat­en.

Pro­vokant und bril­lant
Jelineks Wut wen­det sich aber nicht nur gegen das Famil­iäre, son­dern auch gegen den Staat. Das Poli­tis­che, das ins Pri­vate greift, liefert ihr provozieren­den lit­er­arischen Stoff.

Hier liegen zwei weit­ere Aspek­te, die sie immer wieder auf­greift: zum einen die Kri­tik am Kap­i­tal­is­mus und an Aus­beu­tungsver­hält­nis­sen, zum anderen die Ver­drän­gung der Ver­gan­gen­heit, vor allem die Mitschuld Öster­re­ichs am Nation­al­sozial­is­mus. Im Dra­ma „Burgth­e­ater“ the­ma­tisiert sie den Oppor­tunis­mus der öster­re­ichis­chen Kün­st­lerin­nen und Kün­stler, aber auch von Öster­re­ich ins­ge­samt, wenn es um die Kol­lab­o­ra­tion mit Nazi-Deutsch­land geht.
Bis heute kom­men­tiert Jelinek lit­er­arisch die Missstände der Gesellschaft, sie mah­nt, mis­cht sich ein. Dabei jongliert sie mit der Sprache wie kaum eine zweite. „Die Kas­san­dra der zeit­genös­sis­chen Lit­er­atur“, wie sie genan­nt wird, hat die Übertrei­bung per­fek­tion­iert, mit Zorn und Lei­den­schaft fordert sie die Welt her­aus.“

(WDR, Christoph Vormweg, Hilde­gard Schulte)

Sie kön­nen die Sendung, die am 20.10.2021 in der Rei­he „ZeitZe­ichen“ lief, über die Seite des WDR nach­hören oder als Audio­datei herun­ter­laden.

In der Rei­he „Bayern2 radioWis­sen“ ist eben­falls eine Folge zu Elfriede Jelinek erschienen.

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